Absehen vom Fahrverbot – Augenblicksversagen
Verkehrsrecht Berlin Brandenburg
Unter Umständen kann von einem Fahrverbot abgesehen werden, sofern der Betroffene ein Verkehrszeichen in einem kurzen Moment der unverschuldeten Unaufmerksamkeit ein Verkehrszeichen übersieht. In diesem Fall spricht man von einem Augenblicksversagen.
In einer Entscheidung vom 23. Januar 2017 hat das Amtsgericht Potsdam (88 OWi 4131 JS 34510/16 590/16) ein Augenblicksversagen angenommen und hat vom angeordneten Fahrverbot abgesehen.
Im vorliegenden Fall verließ der Betroffene eine geschlossene Ortschaft. Hinter der Ortschaft war die Geschwindigkeit zunächst nicht beschränkt; wenige Meter später erfolgte eine Geschwindigkeitsbeschränkung für die Nachzeit. Der Betroffene wurde in diesem Bereich geblitzt. Gegen den Betroffenen wurde in der Folge ein Bußgeldbescheid erlassen und ein Fahrverbot angeordnet. Gegen den Bußgeldbescheid setzte sich der Kraftfahrer zur wehr. Er war der Ansicht, dass das Verkehrszeichen vorliegend nur einseitig aufgestellt war und bei einem Überholmanöver übersehen wurde:
Urteil: Übersehen des einseitig aufgestellten Verkehrszeichen
Urteilsgründe: …Das einmalige Übersehen eines einseitig aufgestellten Verkehrszeichens, möglicherweise auch in der Folge zeitweiliger Verdeckung, ist als ein sog. Augenblicksversagen zu erkennen, als das Ergebnis einer einmaligen kurzen Unaufmerksamkeit, wie sie jedermann gelegentlich erleidet. Der im Moment eines solchen Augenblicksversagens begangenen Fehlhandlung fehlt die vorwerfbare Gesinnung, die die Anordnung eines Fahrverbotes gebieten würde, damit ein Betroffener dessen Besinnungs- und Denkzettelwirkung nutzt, um sein Verhalten dem Grunde nach zu überdenken…).
OLG Brandenburg zum Übersehen einseitig aufgestellter Verkehrszeichen
Allerdings reicht das Vorliegen einer beidseitigen Beschilderung für sich noch nicht, ein Augenblicksversagen per se zu verneinen. Das OLG Brandenburg hatte sich diesbezüglich in einem Beschluss vom 23.07.2009 (2 Ss (OWi) 87 B/09) umfassend positioniert:
Der Umstand, dass der Betroffene ein beidseitig aufgestelltes Verkehrszeichen nicht beachtet hat, genügt für sich allein genommen nicht, um ihm ein auch in subjektiver Hinsicht grob pflichtwidriges Verhalten zur Last zu legen. Die Lebenserfahrung zeigt, dass es in Ausnahmefällen Verkehrssituationen gibt, in denen die Aufmerksamkeit eines Kraftfahrzeugführers so abgelenkt werden kann, dass dieser auch ein beidseitig aufgestelltes Verkehrszeichen übersehen kann, ohne dass ihm dafür mehr als nur der Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Zudem gibt es Verkehrssituationen, in denen zumindest die Sicht auf eines der beidseitig aufgestellten Verkehrszeichen verdeckt sein kann. Ebenso ist es möglich, dass Geschehnisse innerhalb des Fahrzeugs eine kurzzeitige Ablenkung des Fahrzeugführers bewirken, die ihn ein beidseitig aufgestelltes Verkehrszeichen ebenso übersehen lassen wie ein nur einseitig aufgestelltes. Schließlich ist gerade bei längeren Autobahnfahrten mit geringer Verkehrsdichte das Phänomen bekannt, dass die Aufmerksamkeit des Fahrzeugführers allmählich nachlässt; in all diesen Fällen mag der Vorwurf der einfachen Fahrlässigkeit gegen den Fahrzeugführer begründet sein, nicht jedoch notwendigerweise der eines auch in subjektiver Hinsicht groben Pflichtenverstoßes.
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