Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren

Freispruch wegen fehlerhafter Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren

Urteil vom 17.10.2024 – AG Dortmund, Az. 729 OWi-267 Js 1305/24-100/24

Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Dortmund befasst sich mit einem häufig unterschätzten Aspekt im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht: der Unverwertbarkeit einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren, wenn grundlegende Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das Gericht sprach die Betroffene vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung frei – ein Urteil mit Signalwirkung.


Was war passiert?

Der Betroffenen wurde zur Last gelegt, am 22. April 2024 gegen 0:20 Uhr auf der B 236 in Dortmund, im Bereich des Tunnels Wambel, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten zu haben. Nach Abzug einer Toleranz sollte eine Geschwindigkeit von 112 km/h festgestellt worden sein – ein Verstoß, der in der Regel mit einem Bußgeld sowie einem Punkt in Flensburg geahndet wird.

Die Messung erfolgte durch Nachfahren über eine Strecke von etwa 1,5 Kilometern durch ein ziviles Polizeifahrzeug – und genau hier liegt das Problem.


Die Messung durch Nachfahren – was lief schief?

Zwar war unstreitig, dass die Betroffene zum Tatzeitpunkt im Tunnel unterwegs war, jedoch konnte das Amtsgericht keine verwertbare Geschwindigkeitsmessung feststellen. Die Polizei hatte folgende Methode angewendet:

  • Nachfahren über die volle Tunnellänge

  • Schätzung der Geschwindigkeit anhand des Tachometers eines nicht geeichten Fahrzeugs

  • Beobachtung des Abstands zwischen dem Polizeifahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug

Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung jedoch erhebliche Widersprüche zwischen der Aussage des Zeugen (Polizeibeamter) und dem offiziellen Messprotokoll fest:

  • Während der Zeuge von einem konstanten Abstand von ca. 200 m sprach, war im Protokoll ein Abstand von nur 50 m vermerkt.

  • Der Zeuge beschrieb eine Geschwindigkeit von etwa 140 km/h ± 5 km/h, während im Protokoll eine feste Geschwindigkeit von 140 km/h ohne Schwankung angegeben war.

  • Laut Protokoll soll sich der Abstand vergrößert haben – entgegen der Aussage des Zeugen, der von einem gleichbleibenden Abstand sprach.

Diese Unstimmigkeiten führten zu der Frage, ob überhaupt eine standardkonforme Nachfahrmessung durchgeführt wurde oder lediglich eine subjektive Schätzung, die im Nachhinein dokumentiert wurde.


Warum war die Messung durch Nachfahren unverwertbar?

Das Amtsgericht Dortmund stellte klar: Eine Messung durch Nachfahren muss bestimmten Anforderungen genügen, um vor Gericht verwertbar zu sein. Dazu gehört insbesondere:

  • Ein geeichter Tachometer

  • Dokumentation des Abstands

  • Konsistenz zwischen Aussage und Protokoll

  • Plausibilitätsprüfung z. B. durch Weg-Zeit-Berechnung

Im vorliegenden Fall fehlten alle diese Elemente oder waren widersprüchlich dokumentiert. Das Gericht konnte nicht einmal sicher feststellen, dass überhaupt eine echte Nachfahrmessung im juristischen Sinne stattgefunden hat. Vielmehr erschien es möglich, dass lediglich eine subjektive Geschwindigkeitsschätzung in die Akten eingegangen war.

Da keine verwertbare Grundlage für eine Geschwindigkeitsfeststellung vorlag, kam es aus tatsächlichen Gründen zum Freispruch (§ 46 OWiG i. V. m. § 467 StPO). Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.


Fazit: Eine Geschwindigkeitsmessung ist nur so gut wie ihre Dokumentation

Das Urteil zeigt exemplarisch, dass auch vermeintlich „einfache“ Verkehrsverstöße wie eine Geschwindigkeitsüberschreitung rechtlich hochkomplex werden können, wenn die Messung nicht korrekt durchgeführt oder dokumentiert wurde.

Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren sind besonders fehleranfällig, da sie keine standardisierte Messmethode wie etwa durch stationäre Blitzer darstellen. Gerade bei nicht geeichten Fahrzeugen und fehlender Videoaufzeichnung kann eine Verurteilung allein auf Basis polizeilicher Schätzungen angreifbar sein.


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