Urteil mit Signalwirkung: Linksabbieger trägt volle Verantwortung

Urteil des Landgerichts Berlin – Ein Lehrstück zur Haftung beim Linksabbiegen

Eine Analyse des Urteils vom 28.06.2023 – Az.: 46 O 155/22


Einleitung: Verkehrsunfall und die Frage der Haftung

Verkehrsunfälle beim Linksabbiegen gehören zu den häufigsten Konfliktpunkten im Straßenverkehr. Besonders problematisch wird es, wenn ein Linksabbieger mit einem überholenden Fahrzeug kollidiert. In solchen Fällen entscheidet oft die genaue Analyse der Umstände über die Haftungsfrage. Das Landgericht Berlin hatte im Fall Az.: 46 O 155/22 eine solche Situation zu beurteilen – mit einem Ergebnis, das die Bedeutung von Sorgfaltspflichten eindrucksvoll unterstreicht.


Der Fall: Linksabbiegen in Berlin

Am 25. Februar 2021 ereignete sich der Unfall: Der Kläger befuhr eine Straße in Berlin und wollte als Spitzenfahrzeug einer Kolonne nach links abbiegen. Hinter ihm befanden sich weitere Fahrzeuge, darunter auch das spätere Beklagtenfahrzeug. Dieses überholte die Kolonne links, während der Kläger in die Abbiegespur einfuhr. Die Folge: eine Kollision. Der Kläger wurde verletzt, sein Fahrzeug beschädigt.

Der Kläger forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld in erheblichem Umfang – unter anderem für Nutzungsausfall, Gutachterkosten und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte, deren Fahrzeug haftpflichtversichert war, hatte bereits auf Basis einer Quote von 2/3 gezahlt, wies jedoch die restlichen Forderungen zurück. Der Grund: Der Kläger habe selbst grob fahrlässig gehandelt.


Das Urteil: Klage abgewiesen

Das Landgericht Berlin entschied gegen den Kläger und wies die Klage vollständig ab. Warum? Die Entscheidungsgründe offenbaren eine akribische Bewertung der Verkehrssituation und des Verhaltens der Beteiligten.

1. Pflichtverletzungen des Klägers

Das Gericht stellte fest, dass der Kläger mehrfach gegen die Sorgfaltspflichten gemäß § 9 StVO verstoßen hat. Besonders schwer wogen zwei Punkte:

  • Fehlende Rückschau:
    Der Kläger hatte weder vor dem Einordnen noch vor dem Abbiegen eine Rückschau durchgeführt. Insbesondere eine zweite Rückschau – kurz vor dem eigentlichen Manöver – war unterblieben.
  • Unzureichendes Blinken:
    Nach eigenen Angaben des Klägers hatte er „geblinkt und sofort abgebogen“. Ein solches Verhalten genügt den Anforderungen an eine rechtzeitige und deutliche Ankündigung der Fahrabsicht nicht.

2. Der Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger

Das Gericht betonte, dass ein Anscheinsbeweis grundsätzlich gegen den Linksabbieger spricht, wenn es zu einer Kollision mit einem Überholer kommt. Der Kläger konnte diesen nicht entkräften.

Besonders überzeugend war die Aussage einer Zeugin, die den Überholvorgang beobachtet hatte. Sie bestätigte, dass das Beklagtenfahrzeug bereits überholte, als der Kläger seinen Abbiegevorgang einleitete.

3. Kein Verschulden des Überholers

Das Beklagtenfahrzeug traf nach Ansicht des Gerichts keine Schuld:

  • Das Überholen war rechtmäßig, da der Kläger seine Abbiegeabsicht nicht rechtzeitig angezeigt hatte.
  • Eine unklare Verkehrslage, die das Überholen verboten hätte, lag ebenfalls nicht vor.

Die Konsequenzen: Wer trägt die Verantwortung?

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger die alleinige Verantwortung für den Unfall trägt. Sein Fehlverhalten wog so schwer, dass selbst die allgemeine Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs nicht berücksichtigt wurde.


Warum dieses Urteil wichtig ist

Das Urteil des Landgerichts Berlin ist ein Lehrstück für die Praxis. Es verdeutlicht:

  1. Die Sorgfaltspflichten beim Linksabbiegen sind essenziell.
    Doppelte Rückschau, rechtzeitiges Blinken und ein sorgfältiger Blick auf den nachfolgenden Verkehr sind unerlässlich.
  2. Anscheinsbeweis im Straßenverkehr:
    Wer nach links abbiegt und einen Unfall verursacht, hat die Beweislast, dass er alle Pflichten erfüllt hat.
  3. Keine leichte Entschuldigung für Fehler:
    Selbst in Situationen, die auf den ersten Blick kompliziert erscheinen – etwa beim Überholen einer Kolonne – wird erwartet, dass Verkehrsteilnehmer ihre Pflichten strikt einhalten.

Fazit: Aufmerksamkeit und Sorgfalt sind unverzichtbar

Das Urteil zeigt, dass Fehler beim Linksabbiegen weitreichende Konsequenzen haben können. Für Geschädigte wie den Kläger bedeutet dies: Eine erfolgreiche Klage setzt voraus, dass man sich selbst fehlerfrei verhalten hat – und dies auch beweisen kann.

Haben Sie Fragen zu Verkehrsunfällen oder wollen Ihre Ansprüche geltend machen? Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte durchzusetzen – kompetent, engagiert und auf Augenhöhe.

Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Beratung!

Unser Rat: Bei einem Unfall sofort handeln!

Unfälle in solchen Situationen können kompliziert sein, vor allem wenn mehrere Parteien beteiligt sind. Unser erfahrenes Team bei Prof. Dr. Streich & Partner unterstützt Sie dabei, Ihre Ansprüche durchzusetzen oder unberechtigte Forderungen abzuwehren.

📞 Rufen Sie uns an: 030 226357113
✉️ E-Mail: verkehrsrecht@streich-partner.de
📍 Adresse: Eichendorffstraße 14, 10115 Berlin

Vertrauen Sie auf unsere Erfahrung im Verkehrsrecht. Wir klären, wer haftet!

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen