Linksabbieger gegen überholendes Motorrad

Linksabbieger

Ein folgenschwerer Unfall: Linksabbieger gegen überholendes Motorrad

Landgericht Kiel: Urteil vom 11.10.2023, Az. 10 O 78/20

Ein schwerer Unfall zwischen einem linksabbiegenden Pkw und einem überholenden Motorradfahrer beschäftigte das Landgericht Kiel. Später befasste sich auch das Oberlandesgericht mit dem Fall. Die Entscheidung ist wichtig für Haftungsquoten, Sorgfaltspflichten und Schmerzensgeld. Themen wie doppelte Rückschaupflicht, unklare Verkehrslage und Geschwindigkeitsüberschreitung standen im Mittelpunkt.

Der Unfallhergang

Am 17.06.2018 kam es auf der Bundesstraße 4 zu einer Kollision. Ein Pkw-Fahrer wollte links abbiegen. Er setzte nach eigenen Angaben den Blinker und verringerte die Geschwindigkeit. Der Motorradfahrer hinter ihm setzte gleichzeitig zum Überholen an. Es kam zum Unfall.

Der Motorradfahrer wurde schwer verletzt. Er erlitt eine Sprengung des Schultergelenks (Rockwood 5) sowie Schürfwunden und eine Wundheilungsstörung. Seine Beweglichkeit ist dauerhaft eingeschränkt. Er kann den linken Arm nicht mehr über die Horizontalebene heben.

Streitpunkte vor Gericht

Der Pkw-Fahrer gab an, rechtzeitig geblinkt zu haben. Der Motorradfahrer bestritt dies. Er behauptete, der Blinker sei entweder gar nicht oder zu spät gesetzt worden. Unklar war auch, ob der Pkw-Fahrer die doppelte Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 StVO beachtet hatte.

Ein weiteres Thema war die Geschwindigkeit des Motorradfahrers. Die Beklagte behauptete, er sei mindestens 70 km/hschnell gewesen, obwohl nur 50 km/h erlaubt waren. Der Motorradfahrer räumte eine Überschreitung auf 55-60 km/hein, bestritt aber eine höhere Geschwindigkeit.

Das Landgericht entschied auf eine Haftungsverteilung von 80 % zu Lasten des Pkw-Fahrers und 20 % zu Lasten des Motorradfahrers. Diese Bewertung beruhte auf mehreren Faktoren.

Die rechtlichen Grundlagen

1. Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger

Ein Unfall beim Linksabbiegen spricht für ein Verschulden des Abbiegenden. Nach § 9 Abs. 1 StVO muss er sich vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Dazu gehört der Blick in den Spiegel und über die Schulter.

2. Überholen bei unklarer Verkehrslage

Laut § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO darf bei unklarer Verkehrslage nicht überholt werden. Ein langsamer werdendes Fahrzeug mit gesetztem Blinker kann eine solche Situation schaffen.

3. Geschwindigkeit des Motorradfahrers

Die Beklagte argumentierte, dass der Motorradfahrer durch seine Geschwindigkeit eine erhöhte Betriebsgefahrverursacht habe. Dies könnte zu einer höheren Haftungsquote für ihn führen.

Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Kiel entschied, dass 80 % der Haftung auf den Pkw-Fahrer entfallen. Der Motorradfahrer trägt ein 20%iges Mitverschulden. Entscheidende Punkte waren:

  • Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht des Pkw-Fahrers
  • Keine klare Beweislage für eine extreme Geschwindigkeitsüberschreitung
  • Unklare Verkehrslage, die das Überholen riskant machte

Der Motorradfahrer erhielt 35.000 € Schmerzensgeld, davon wurden bereits gezahlte 6.000 € angerechnet.

Berufung und Aufhebung des Urteils

Die Beklagte legte Berufung ein. Sie argumentierte, das Landgericht habe nicht alle Beweise berücksichtigt. Vor allem ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten fehlte. Dieses hätte die Geschwindigkeit des Motorrads klären können.

Das Oberlandesgericht sah dies als Verfahrensfehler. Es hob das Urteil auf und verwies den Fall zurück an das Landgericht Kiel. Im neuen Verfahren müssen folgende Fragen geklärt werden:

  • Wie schnell war das Motorrad tatsächlich?
  • Hätte der Motorradfahrer den Unfall bei 50 km/h vermeiden können?
  • Wurde der Blinker des Pkw frühzeitig gesetzt?
  • Welche Auswirkungen hat der Unfall auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers?

Fazit

Der Fall zeigt die Komplexität von Verkehrsunfällen:

  • Anscheinsbeweis spricht meist gegen den Linksabbieger.
  • Unklare Verkehrslage kann ein Mitverschulden des Überholenden begründen.
  • Geschwindigkeit beeinflusst die Haftungsverteilung.

Das Verfahren zeigt, wie wichtig eine gründliche Beweiserhebung ist. Das neue Urteil wird künftige Entscheidungen zu ähnlichen Unfällen beeinflussen.

Ihr Ansprechpartner für Verkehrsrecht in Berlin – Rechtsanwalt Thomas Brunow

Thomas BrunowRechtsanwalt Thomas Brunow ist Ihr erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten – von der Schadenregulierung über Bußgeldverfahren bis hin zur Verteidigung in Verkehrsstrafsachen.

Dank seiner langjährigen Erfahrung und seiner Tätigkeit als Vertrauensanwalt des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandes genießt er großes Vertrauen in der Automobilbranche. Zudem ist er aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.

Leistungen von Rechtsanwalt Thomas Brunow:

Schadenregulierung nach Verkehrsunfällen – Durchsetzung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen.
Verteidigung in Verkehrsstrafsachen – Spezialisierung auf Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht, Nötigung und Körperverletzung im Straßenverkehr.
Verteidigung in Bußgeldverfahren – Umfassende Expertise bei Geschwindigkeitsverstößen, Rotlichtvergehen und Fahrtenbuchauflagen.

Mit Fachwissen, Erfahrung und Durchsetzungsstärke sorgt Rechtsanwalt Thomas Brunow für eine effektive Vertretung im Verkehrsrecht.

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📍 Eichendorffstraße 14, 10115 Berlin
📞 Telefon: 030 226357113

Mithaftung trotz grüner Ampel?

Mithaftung

Mithaftung trotz grüner Ampel

Das Urteil des OLG Saarbrücken (Az. 4 U 291/22) ist ein wichtiger Leitfall für Unfälle im Kreuzungsbereich. Es stellt klar: Wer bei Grün in eine Kreuzung einfährt, darf nicht automatisch auf eine freie Durchfahrt vertrauen. Es kann eine Mithaftung in Betracht kommen. Besonders dann nicht, wenn die Sicht durch ein anderes Fahrzeug – etwa einen abbiegenden Lkw – eingeschränkt ist.

Das Gericht präzisiert damit die Rechtslage. Es legt zentrale Grundsätze für das Einfahren in Kreuzungen bei unklarer Verkehrssituation fest.


1. Grün bedeutet nicht automatisch freie Fahrt

Eine grüne Ampel erlaubt die Einfahrt in die Kreuzung. Doch sie bedeutet nicht, dass der Weg immer frei ist. Nachzügler aus einer vorherigen Grünphase oder Sichtbehinderungen können die Lage unübersichtlich machen.

Das OLG betont: Die Ampelfarbe allein ist kein Freibrief. Entscheidend ist die tatsächliche Verkehrssituation. Jeder Fahrer muss prüfen, ob eine sichere Durchfahrt möglich ist.


2. Sichtbehinderung erhöht die Sorgfaltspflicht und führt zur Mithaftung

Wird die Sicht auf den Kreuzungsbereich durch einen Lkw oder ein anderes großes Fahrzeug verdeckt, ist höchste Vorsicht geboten.

Ein Fahrer darf sich in solchen Situationen nicht nur auf die grüne Ampel verlassen. Er muss langsam in die Kreuzung einfahren und bremsbereit bleiben. Nur so kann er sicherstellen, dass sich keine anderen Fahrzeuge im Kreuzungsbereich befinden.


3. Nachzügler haben Vorrang

Fahrzeuge, die sich bereits in der Kreuzung befinden, haben Vorrang – auch wenn ihre Grünphase abgelaufen ist.

Ein Fahrer, der neu in die Kreuzung einfährt, muss dies beachten. Die Straßenverkehrsordnung (§ 1 Abs. 2 StVO) verlangt, dass kein Verkehrsteilnehmer durch unvorsichtiges Verhalten gefährdet wird.

Das bedeutet: Eine Kreuzung ist nicht automatisch frei, nur weil die Ampel grün zeigt. Es kann immer noch Verkehrsteilnehmer geben, die den Bereich verlassen müssen.


4. Mithaftung trotz Vorfahrtsrecht

Das OLG Saarbrücken stellte klar: Wer trotz Sichtbehinderung und ohne ausreichende Prüfung der Verkehrslage einfährt, kann eine Mitschuld tragen.

Im konkreten Fall hatte die Beklagte den Unfall durch ein riskantes Fahrmanöver verursacht. Doch auch der Kläger wurde nicht vollständig von der Haftung befreit. Das Gericht entschied, dass er fahrlässig handelte. Er hätte die Verkehrssituation besser prüfen müssen, bevor er die Kreuzung befuhr.

Das Urteil führte zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten der Beklagten. Es zeigt, dass Gerichte Verkehrsunfälle individuell bewerten und nicht automatisch eine Alleinhaftung annehmen.


Fazit: Wichtige Handlungsempfehlungen für Autofahrer

Das Urteil des OLG Saarbrücken (Az. 4 U 291/22) zeigt: Eine grüne Ampel entbindet nicht von der Pflicht zur vorausschauenden Fahrweise.

Was bedeutet das für Autofahrer?

Besondere Vorsicht bei eingeschränkter Sicht: Ist die Kreuzung nicht einsehbar, darf nicht ungebremst eingefahren werden.
Defensive Fahrweise: In unklaren Situationen muss mit Nachzüglern gerechnet werden.
Rücksicht auf bereits in der Kreuzung befindliche Fahrzeuge: Sie haben Vorrang.
Mithaftung vermeiden: Wer sich nicht an diese Grundsätze hält, riskiert eine Mitschuld – auch bei Grün.


Ihr Partner für Verkehrsrecht

Unsere Kanzlei ist auf Verkehrsrecht spezialisiert. Wir vertreten Mandanten in Unfallsachen, Haftungsfragen und Schadensersatzansprüchen.

Ob Sie eine vollständige Regulierung Ihres Schadens durchsetzen oder eine unberechtigte Haftungszuweisung abwehren möchten – wir stehen Ihnen mit Erfahrung und Expertise zur Seite.

Bei Verkehrsunfällen zählt eine gründliche rechtliche Prüfung. Die genaue Analyse der Beweislage und relevanter Gerichtsurteile kann über Haftung und Schadensersatz entscheiden.

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Thomas BrunowRechtsanwalt Thomas Brunow ist Ihr erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten – von der Schadenregulierung über Bußgeldverfahren bis hin zur Verteidigung in Verkehrsstrafsachen.

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Mietwagen-Unfall: Warum grobe Fahrlässigkeit zur Haftung führt

Verkehrsunfall Mietwagen

Grobe Fahrlässigkeit auf der linken Spur: OLG Nürnberg füllt Lücke im Mietwagen – Recht

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit seinem Urteil (Az.: 13 U 1296/17) eine weitreichende Entscheidung getroffen, die Mietwagen – Nutzer und Autovermieter gleichermaßen betrifft. Im Kern geht es um die Frage: Kann eine vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung entfallen, wenn sich der Fahrer grob fahrlässig verhält? Die Antwort des Gerichts ist eindeutig – ja: Und zwar insbesondere dann, wenn der Fahrer durch eigenes Fehlverhalten das Unfallrisiko erheblich erhöht hat.

Der Fall: Ein Moment der Ablenkung mit teuren Konsequenzen

Folgender Sachverhalt: Der Beklagte fuhr am 19. April 2015 mit einem hochmotorisierten Mietwagen, einem Mercedes-Benz CLS 63 AMG, auf der Autobahn. Während der Fahrt bediente er das Infotainmentsystem des Fahrzeugs, um Informationen abzurufen. In dieser Situation verlor er die Kontrolle über das Auto, geriet auf der linken Spur von der Fahrbahn ab und kollidierte mit der Mittelleitplanke.

Die Autovermietung, die das Fahrzeug an den Mieter (nicht den Beklagten) vermietet hatte, forderte daraufhin Schadenersatz in Höhe von 50 % des gesamten Schadens. Der Beklagte argumentierte jedoch, dass er lediglich 130 km/h gefahren sei und zudem durch die im Mietvertrag enthaltene Haftungsfreistellung geschützt sei. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass es sich um ein grob fahrlässiges Verhalten gehandelt habe. Dies hebe die vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung auf.

Das Urteil des OLG Nürnberg: Grobe Fahrlässigkeit kostet Schutz der Haftungsfreistellung

Das Oberlandesgericht Nürnberg folgte der Argumentation der Klägerin und stellte fest, dass der Beklagte mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h unterwegs war. Die Bedienung des Infotainmentsystems während der Fahrt führte dazu, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Besonders schwer wog aus Sicht des Gerichts, dass sich der Beklagte in einem ihm nicht vertrauten Fahrzeug befand und dennoch seine Aufmerksamkeit nicht auf das Fahrgeschehen, sondern auf den Bordcomputer richtete.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung zwar grundsätzlich gilt, jedoch durch grob fahrlässiges Verhalten eingeschränkt wird. Die Klausel, die eine anteilige Haftung in solchen Fällen vorsieht, wurde als wirksam erachtet. Der Beklagte wurde daher verpflichtet, 50 % des entstandenen Schadens zu zahlen.

Warum dieses Urteil richtungsweisend ist

Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen und sollte von allen Verkehrsteilnehmern, insbesondere Mietwagen-Nutzern, genau beachtet werden. Es bringt Klarheit in verschiedene wichtige Punkte:

  1. Mietwagenfahrer haften trotz Haftungsfreistellung bei grober Fahrlässigkeit: Eine Mietwagen-Haftungsfreistellung schützt nicht unbegrenzt. Wenn der Fahrer grob fahrlässig handelt – etwa durch Ablenkung bei hoher Geschwindigkeit – kann er dennoch zur Kasse gebeten werden.
  2. Hohe Geschwindigkeiten erfordern erhöhte Sorgfalt: Das Urteil macht deutlich, dass das Fahren mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h besondere Aufmerksamkeit erfordert. Wer sich in solchen Situationen ablenken lässt, handelt nicht nur fahrlässig, sondern grob fahrlässig.
  3. Relevanz für Versicherungen und Autovermieter: Die Entscheidung des Gerichts orientiert sich an den Grundsätzen der Vollkaskoversicherung. Die übliche Klausel zur Haftungsreduzierung in Mietverträgen wird nur dann anerkannt, wenn sie sich am Prinzip der anteiligen Haftung bei grober Fahrlässigkeit ausrichtet.

Die rechtlichen Konsequenzen für Autofahrer und Autovermieter

Dieses Urteil hat für die Praxis erhebliche Bedeutung. Sowohl für Autovermieter als auch für Fahrzeugmieter und berechtigte Fahrer. Wer einen Mietwagen fährt, sollte sich bewusst sein, dass die Haftungsfreistellung kein Freibrief für riskantes Fahrverhalten ist. Grob fahrlässiges Verhalten – insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten oder Ablenkung – kann dazu führen, dass eine anteilige Haftung für Schäden verbleibt.

Für Autovermieter ergibt sich aus diesem Urteil ebenfalls eine wichtige Erkenntnis: Die vertraglichen Regelungen zur Haftungsfreistellung sollten sorgfältig formuliert sein und ausdrücklich auf eine Reduzierung der Haftungsfreistellung bei grober Fahrlässigkeit hinweisen. Andernfalls könnte eine vollständige Haftungsbefreiung des Mieters oder Fahrers riskiert werden, was im Schadensfall erhebliche finanzielle Verluste bedeuten könnte.

Fazit: Augen auf im Mietwagen – Haftung kann trotz Versicherung bestehen

Das Urteil des OLG Nürnberg verdeutlicht, dass die Nutzung eines Mietwagens mit besonderer Verantwortung einhergeht. Wer sich hinter das Steuer eines hochmotorisierten Fahrzeugs setzt, sollte sich bewusst sein, dass vertragliche Haftungsfreistellungen Grenzen haben. Die Entscheidung bestätigt, dass grob fahrlässiges Verhalten – insbesondere durch Ablenkung während der Fahrt – erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann.

Mietwagen-Nutzer sollten sich nicht nur auf die vertraglichen Regelungen verlassen. Sie müssen stets besonders umsichtig fahren. Wer sich während der Fahrt auf das Infotainmentsystem konzentriert, verliert leicht die Kontrolle. Das kann teuer werden. Es gefährdet nicht nur das eigene Leben, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer. Die Botschaft des Urteils ist klar: Sicherheit und volle Aufmerksamkeit haben oberste Priorität.

Unfall beim Türöffnen – Haftung

Türöffnen

Unfall beim Türöffnen: Wer haftet bei einer Kollision mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug?

Beim Ein- und Aussteigen aus einem Fahrzeug gelten strenge Sorgfaltspflichten. Besonders heikel ist die Situation in verkehrsberuhigten Bereichen oder engen Straßen mit parkenden Autos. Doch was passiert, wenn es zur Kollision kommt? Trägt der aussteigende Fahrgast oder das vorbeifahrende Fahrzeug die Schuld?

Das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 11.02.2022 – 13 S 135/21) hat sich mit genau diesem Szenario befasst und klargestellt: Die Sorgfaltspflichten des Aussteigenden überwiegen, selbst wenn das vorbeifahrende Fahrzeug zu schnell war.

1. Der Fall: Unfall in einer verkehrsberuhigten Zone

Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrzeug auf einer als verkehrsberuhigter Bereich (§ 42 StVO, Zeichen 325.1 und 325.2) ausgewiesenen Einbahnstraße. Links parkten Fahrzeuge, während auf der rechten Seite ein Taxi hielt. Der Erstbeklagte, ein Fahrgast, öffnete plötzlich die hintere linke Tür, um auszusteigen. In diesem Moment kam es zur Kollision mit dem vorbeifahrenden Auto der Klägerin.

Die Klägerin forderte Schadensersatz, da sie der Ansicht war, der Fahrgast habe die Tür ohne Rücksicht auf den fließenden Verkehr geöffnet. Die Beklagten argumentierten jedoch, dass das Taxi ausreichend Platz zum sicheren Vorbeifahren gelassen habe und die Klägerin mit massiv überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei.

Das Amtsgericht Merzig hatte zunächst eine Alleinhaftung der Beklagten angenommen. Dagegen richtete sich die Berufung, über die das LG Saarbrücken entschied.

2. Die Entscheidung des LG Saarbrücken

Das Gericht stellte klar, dass sich die Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen in einem verkehrsberuhigten Bereich aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO und dem Rechtsgedanken des § 14 Abs. 1 StVO ergeben.

Die wesentlichen Punkte des Urteils:

✅ Wer eine Fahrzeugtür öffnet, muss sicherstellen, dass dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird.
✅ In verkehrsberuhigten Zonen gelten für alle Beteiligten besondere Sorgfaltspflichten.
✅ Eine Geschwindigkeitsüberschreitung des vorbeifahrenden Fahrzeugs lässt die Betriebsgefahr nicht vollständig entfallen.

Das Gericht entschied, dass der Erstbeklagte die Tür ungeachtet der Verkehrslage weit geöffnet hatte und dabei nicht den rückwärtigen Verkehr beachtet hatte. Gleichzeitig stellte das Gericht jedoch fest, dass die Klägerin mit 20 km/h statt der zulässigen 7 km/h unterwegs war.

3. Die Haftungsverteilung:

Die Klägerin erhielt nur 75 % des geltend gemachten Schadensersatzes, da die überhöhte Geschwindigkeit eine Mitverursachung begründete. Die Beklagten hafteten für die restlichen 75 %, weil die Türöffnung ohne ausreichende Rückschau und Sorgfalt erfolgte.

4. Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis?

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Fahrzeuginsassen beim Ein- und Aussteigen eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft. Wer eine Fahrzeugtür öffnet, muss sich immer vergewissern, dass sich kein anderes Fahrzeug nähert. Gleichzeitig unterstreicht das Gericht, dass auch der fließende Verkehr in verkehrsberuhigten Bereichen besondere Rücksicht walten lassen muss.

Wichtige Lehren aus dem Urteil:

🔹 Fahrgäste und Fahrer müssen sich vor dem Öffnen der Tür umfassend vergewissern, dass keine Gefahr für andere besteht.
🔹 Autofahrer sollten bei parkenden Fahrzeugen immer mit plötzlich öffnenden Türen rechnen und die Geschwindigkeit anpassen.
🔹 Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann die Haftung beeinflussen, führt aber nicht automatisch zu einer Alleinhaftung des Fahrers.

5. Fazit: Wer eine Autotür öffnet, trägt eine hohe Verantwortung

Das LG Saarbrücken (Urteil vom 11.02.2022 – 13 S 135/21) hat klargestellt, dass die Sorgfaltspflichten beim Ein- und Aussteigen sehr hoch sind. Selbst wenn das vorbeifahrende Fahrzeug zu schnell unterwegs ist, bleibt die Hauptverantwortung beim Türöffnenden.

Sind Sie in eine ähnliche Verkehrssituation geraten? Haben Sie Fragen zur Haftung bei einem Unfall mit einer plötzlich geöffneten Fahrzeugtür? Kontaktieren Sie unsere Kanzlei für eine umfassende Beratung im Verkehrsrecht.

Parkplatzunfall und „rechts vor links“

Parkplatzunfall

Parkplatzunfall und „rechts vor links“: Aktuelle Rechtsprechung von OLG Frankfurt und BGH

Der Parkplatzunfall: Wenn es auf Parkplätzen zu Unfällen kommt, steht oft die Frage im Raum, ob die allgemeine Vorfahrtsregel „rechts vor links“ (§ 8 Abs. 1 StVO) gilt. Gerade weil Parkplätze in der Regel dem Such- und Rangierverkehr dienen, sind die Gerichte hier eher vorsichtig. Zwei aktuelle Entscheidungen – eine des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 22. Juni 2022 (Az. 17 U 21/22) und eine des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. November 2022 (Az. VI ZR 344/21) – liefern wichtige Klarstellungen.


1. Grundsatz: Gilt die StVO auf Parkplätzen?

Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) findet grundsätzlich auch auf öffentlich zugänglichen Parkflächen Anwendung. Allerdings bedeutet dies nicht automatisch, dass alle Regeln des fließenden Verkehrs – etwa „rechts vor links“ – dort uneingeschränkt gelten.

Weshalb?
Parkplätze unterscheiden sich von normalen Straßen, weil sie meist nicht allein dem zügigen Durchgangsverkehr dienen. Vielmehr wird dort geparkt, rangiert und in geringer Geschwindigkeit gefahren. Zudem ist die Aufmerksamkeit der Fahrer*innen oft auf die Suche nach freien Stellplätzen gerichtet. Deshalb stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen einzelne Vorschriften der StVO tatsächlich Anwendung finden.


2. BGH (VI ZR 344/21): Beim Parkplatzunfall keine automatische „rechts vor links“-Regelung

Der BGH hat sich am 22. November 2022 (Az. VI ZR 344/21) in einem Fall zu einem Parkplatzunfall auf einem Baumarktparkplatz geäußert. Dort stießen zwei Fahrzeuge in einem Kreuzungsbereich von Fahrgassen zusammen. Ein Sattelzug behinderte zusätzlich die Sicht. Der Kläger war der Ansicht, dass der Beklagte sich an „rechts vor links“ hätte halten müssen.

Klare Aussage des BGH

„Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO (‘rechts vor links’) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.“

Damit unterstreicht der BGH, dass ein Parkplatz grundsätzlich anders zu bewerten ist als eine typische Straßenkreuzung. Auf normal markierten, eher schmalen Fahrspuren zwischen den Parkboxen gilt also vorrangig das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 StVO. Nur wenn es sich ausnahmsweise um eine deutlich ausgebaute „Hauptachse“ mit klaren Straßenmerkmalen handelt, kann die Vorfahrtsregel greifen.


3. OLG Frankfurt (Az. 17 U 21/22): Keine eindeutige Haupt- und Nebenstraße

Auch das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 22. Juni 2022 (Az. 17 U 21/22) einen ähnlich gelagerten Fall mit einem Parkplatzunfall beurteilt. Zwei Fahrzeuge kollidierten auf dem Parkplatz eines Baumarkts, nachdem der eine Fahrer davon ausging, eine „Hauptstraße“ zu befahren und somit vorfahrtberechtigt zu sein.

Das Gericht entschied jedoch:

  • Auf einem Parkplatz, dessen Fahrspuren keine klaren Bordsteine, Gehwege oder eine eindeutige Markierung als Fahrbahn aufweisen, kann man nicht automatisch von einer über- bzw. untergeordneten Straße sprechen.
  • Insbesondere wenn die Fahrspuren beidseitig von Parkbuchten gesäumt sind und dem Suchverkehr dienen, fehlt der „Straßencharakter“.
  • Folglich gilt auch hier vor allem § 1 StVO: vorsichtige und defensive Fahrweise, gegenseitige Rücksichtnahme und gegebenenfalls Verständigung, wer wann fährt.

Daher musste am Ende bei diesem Parkplatzunfall jeder Unfallbeteiligte für einen Teil des Schadens einstehen (Quotenhaftung).


4. Praktische Konsequenzen für Verkehrsteilnehmer*innen

  1. Rücksichtnahme statt blindes Vertrauen
    Wer auf einem Parkplatz unterwegs ist, kann sich nicht ohne Weiteres auf „rechts vor links“ berufen. Es ist vielmehr besondere Vorsicht geboten, da andere Fahrer*innen eventuell rangieren oder abgelenkt sein könnten.
  2. Bauliche Merkmale genau prüfen
    Nur wenn eine Fahrbahn eindeutig als solche erkennbar ist, mit ausreichender Breite, klarer Markierung und sichtbarer Abtrennung zu den Parkbuchten, kann im Einzelfall eine Vorfahrtsregel Anwendung finden.
  3. Verkehr beobachten und verständigen
    Gerade bei schlechter Sicht (z.B. durch parkende Lkws oder Lieferfahrzeuge) empfiehlt es sich, das eigene Tempo deutlich zu drosseln, den Gegenverkehr zu beobachten und gegebenenfalls ein Handzeichen zur Verständigung zu geben.
  4. Haftung aufteilen
    Kommt es bei einem Parkplatzunfall zum Zusammenstoß, entscheiden die Gerichte häufig eine Quotenhaftung. Wer zu schnell unterwegs war oder sich nicht hinreichend vorsichtig verhalten hat, muss mit einer Mitschuld rechnen.

5. Fazit

Die aktuelle Rechtsprechung des BGH (VI ZR 344/21) und des OLG Frankfurt (17 U 21/22) zum Parkplatzunfall macht deutlich: Auf Parkplätzen ist „rechts vor links“ längst nicht immer das Maß aller Dinge. Entscheidend ist, ob eine Fahrgasse tatsächlich Straßencharakter hat oder vorwiegend dem Such- und Rangierverkehr dient. Oftmals müssen sich die Beteiligten verständigen und besonders vorsichtig verhalten, um Kollisionen zu vermeiden.

Merke: Wer auf einem Parkplatz unterwegs ist, sollte stets bremsbereit sein und darauf achten, dass andere Verkehrsteilnehmer*innen möglicherweise keine Vorfahrtsregeln anwenden (können). Letztlich ist der Grundsatz von § 1 StVO – das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme – hier wichtiger als jede starre Regel.

Linksabbieger-Unfall: Haftung?

Linksabbieger

Unfallschadenregulierung nach einem Linksabbieger-Unfall: Mithaftungsquote bei unklarer Verkehrslage

Ein Linksabbieger-Unfall ist eine der häufigsten Unfallkonstellationen im Straßenverkehr. Besonders in unklaren Verkehrslagen kommt es oft zu Kollisionen, bei denen die Haftungsfrage sorgfältig geprüft werden muss. Ein aktuelles Urteil zeigt, dass auch beim Überholen eines blinkenden Traktors besondere Vorsicht geboten ist.

Linksabbieger: Traktor blinkt – Überholen in unklarer Verkehrslage unzulässig

In dem verhandelten Fall fuhr der Kläger mit einem Motorroller auf einer Landstraße hinter einem Traktorgespann. Dieses blinkte nach links, um in eine schwer erkennbare Hofeinfahrt einzubiegen. Der Kläger setzte zum Überholen an, woraufhin es zur Kollision kam. Besonders strittig war die Frage, ob der Traktor tatsächlich den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte.

Das Gericht stellte klar:

  • Ein nach links blinkender Traktor kann jederzeit kurzfristig abbiegen, selbst wenn er sich nicht nach links eingeordnet hat.
  • Aufgrund der Breite eines landwirtschaftlichen Fahrzeugs ist das Einordnen häufig nicht möglich.
  • Wer dennoch in dieser Situation überholt, handelt in einer unklaren Verkehrslage und trägt eine Mithaftung.

Das Landgericht erkannte eine Mithaftungsquote von 50 %, weil der Traktorfahrer zwar nicht in vollem Umfang seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen war, der Motorrollerfahrer jedoch fahrlässig in einer unklaren Verkehrslage überholt hatte.

Mithaftungsquote und Schadenersatz bei einem Linksabbieger-Unfall

Bei der Ermittlung der Mithaftungsquote kommt es auf eine genaue Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge an. In diesem Fall war entscheidend:

  • Pflicht zur doppelten Rückschau: Der Traktorfahrer hätte sich vor dem Abbiegen nochmals vergewissern müssen, dass kein Fahrzeug überholt.
  • Überholen in unklarer Verkehrslage: Der Rollerfahrer hätte das blinkende Traktorgespann nicht überholen dürfen.
  • Betriebsgefahr der Fahrzeuge: Ein schweres landwirtschaftliches Fahrzeug birgt eine höhere Betriebsgefahr als ein Motorroller.

Das Gericht entschied sich für eine hälftige Schadensteilung, sodass beide Parteien für jeweils 50 % des Schadens haften.

Unklare Verkehrslage: Ein typisches Problem bei Linksabbieger-Unfällen

Laut § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist das Überholen in einer unklaren Verkehrslage unzulässig. Eine unklare Verkehrslage liegt insbesondere dann vor, wenn:

  • Ein vorausfahrendes Fahrzeug verlangsamt und unklar ist, ob es abbiegt.
  • Das vorausfahrende Fahrzeug blinkt, aber sich noch nicht eindeutig nach links eingeordnet hat.
  • Die Sicht auf eine mögliche Einfahrt oder Abzweigung eingeschränkt ist.

Dieses Urteil zeigt, dass die Gerichte eine hohe Sorgfaltspflicht für Verkehrsteilnehmer anlegen. Wer trotz Blinkens eines Fahrzeugs überholt, muss mit einer Mithaftung rechnen.

Vorgerichtliche Anwaltskosten für Kaskoversicherung nicht erstattungsfähig

Ein weiteres wichtiges Thema des Urteils war die Frage, ob vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung erstattungsfähig sind. Das Gericht entschied:

  • Anwaltskosten für die Regulierung über die Kaskoversicherung sind nur erstattungsfähig, wenn die Beauftragung erforderlich und zweckmäßig war.
  • Allein die Tatsache, dass später ein Quotenvorrecht berücksichtigt werden muss, reicht nicht aus, um die Notwendigkeit einer frühzeitigen anwaltlichen Vertretung zu begründen.

Fazit: Rechtslage bei Linksabbieger-Unfällen beachten

Wer im Straßenverkehr ein abbiegendes oder blinkendes Fahrzeug überholen will, muss sich der unklaren Verkehrslagebewusst sein. Andernfalls droht eine Mithaftung. Auch bei der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung sollten Versicherungsnehmer bedenken, dass Anwaltskosten nicht immer erstattungsfähig sind.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie kompetent bei der Unfallschadenregulierung, der Durchsetzung Ihrer Ansprüche und der richtigen Bewertung Ihrer Mithaftungsquote.

Praktische Tipps zur Vermeidung von Linksabbieger-Unfällen

  1. Vorausschauend fahren: Insbesondere auf Landstraßen sollten Sie frühzeitig auf Blinker und Fahrverhalten vorausfahrender Fahrzeuge achten.
  2. Sicherheitsabstand einhalten: Halten Sie ausreichend Abstand zu langsam fahrenden Fahrzeugen, um deren Fahrmanöver besser einschätzen zu können.
  3. Überholen nur bei klarer Verkehrslage: Ein Linksabbieger kann jederzeit abbiegen – vermeiden Sie Überholmanöver, wenn Unsicherheit besteht.
  4. Auf landwirtschaftliche Fahrzeuge besonders achten: Traktoren oder landwirtschaftliche Maschinen haben oft eingeschränkte Sicht – rechnen Sie damit, dass diese auch ohne erkennbares Einordnen abbiegen könnten.
  5. Defensive Fahrweise: Selbst wenn ein Fahrzeug blinkt, bedeutet das nicht immer, dass der Fahrer die Situation überblickt. Seien Sie besonders vorsichtig, wenn eine Einfahrt oder eine Abbiegemöglichkeit erkennbar ist.

Mit diesen Maßnahmen lassen sich viele Unfälle vermeiden und rechtliche Auseinandersetzungen minimieren. Im Schadensfall stehen wir Ihnen mit unserer Erfahrung in der Unfallschadenregulierung zur Seite.

Sonderrechte – Schadensersatz nach Verkehrsunfall mit Polizeifahrzeug

Sonderrechte

Urteil vom 08.11.2024: Schadensersatz nach Verkehrsunfall mit Polizeifahrzeug – Sonderrechte

Einleitung
Das Landgericht Köln hat im Fall eines Verkehrsunfalls zwischen einem privaten Fahrzeug und einem Polizeifahrzeug im Einsatz entschieden und am 08.11.2024 ein umfassendes Urteil gefällt. Dieser Fall beleuchtet die rechtlichen Anforderungen an die Nutzung von Sonderrechten und die Sorgfaltspflichten bei Einsatzfahrten. In diesem Artikel fassen wir die Hintergründe, die Entscheidungsgründe und die Bedeutung des Urteils für das Verkehrsrecht zusammen.


Der Unfallhergang: Was war passiert?

Am frühen Morgen des 26.12.2023 kam es im Kreuzungsbereich Komödienstraße/Tunisstraße in Köln zu einem Verkehrsunfall. Ein Polizeifahrzeug, das auf einer Einsatzfahrt unterwegs war, kollidierte mit einem Fahrzeug des Klägers.

Die wichtigsten Fakten:

  • Ampelschaltung: Das Polizeifahrzeug fuhr bei Rotlicht in die Kreuzung ein, während das Fahrzeug des Klägers bei Grünlicht einfuhr.
  • Sonderrechte: Laut Angaben des beklagten Landes waren Blaulicht und Martinshorn aktiviert. Der Kläger und sein Zeuge bestritten dies jedoch.
  • Schaden: Der entstandene Gesamtschaden betrug 3.913,55 Euro. Das beklagte Land regulierte zunächst 60 % des Schadens, der Kläger forderte jedoch die vollen 100 %.

Die Argumente der Parteien

Der Kläger:
Der Kläger machte geltend, dass:

  1. Das Polizeifahrzeug kein Blaulicht oder Martinshorn rechtzeitig aktiviert hatte.
  2. Das Einsatzfahrzeug mit einer unangepassten Geschwindigkeit in die Kreuzung einfuhr.
  3. Die Fahrerin des Polizeifahrzeugs nicht ausreichend sicherstellte, dass andere Verkehrsteilnehmer das Einsatzfahrzeug wahrnehmen konnten.

Das beklagte Land:
Das beklagte Land trug vor, dass:

  1. Die Sonderrechte ordnungsgemäß genutzt wurden.
  2. Die Fahrerin vor der Kreuzung abgebremst und sich vergewissert habe, dass kein Verkehrsteilnehmer gefährdet werde.
  3. Der Unfall trotz aller Vorsichtsmaßnahmen unvermeidbar gewesen sei.

Beweisaufnahme und Sachverständigengutachten

Das Gericht erhob Beweis durch Zeugenaussagen und ein Sachverständigengutachten:

  • Gutachterliche Feststellungen:
    Der Sachverständige stellte fest, dass das Polizeifahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 25-31 km/h unterwegs war. Diese Kollisionsgeschwindigkeit widerlegte die Aussage der Fahrerin, dass sie sich mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung „hineintastete“.
  • Zeugenaussagen:
    Der Zeuge des klägerischen Fahrzeugs erklärte, weder Blaulicht noch Martinshorn vor der Kollision wahrgenommen zu haben. Die Aussagen der Polizeizeugen über die Nutzung der Sonderrechte waren widersprüchlich.

Das Urteil: Entscheidung zugunsten des Klägers

Das Landgericht Köln verurteilte das beklagte Land zur Zahlung des vollen Schadensersatzes in Höhe von 756,48 Euro. Die Begründung:

  1. Pflichtverletzung der Polizeifahrerin:
    Das Polizeifahrzeug hätte sich bei der unübersichtlichen Kreuzung mit angepasster Geschwindigkeit vortasten müssen. Auch mit Sonderrechten besteht eine hohe Sorgfaltspflicht.
  2. Fehlender Nachweis der Sonderrechte:
    Das Gericht sah es als nicht bewiesen an, dass Blaulicht und Martinshorn rechtzeitig eingeschaltet waren. Die widersprüchlichen Aussagen der Polizeibeamt:innen reichten dafür nicht aus.
  3. Unvermeidbarkeit der Kollision:
    Der Zeuge des klägerischen Fahrzeugs konnte das Polizeifahrzeug aufgrund der Bebauung und der hohen Geschwindigkeit nicht rechtzeitig wahrnehmen.
  4. Haftungsquote:
    Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs trat zurück, da die Pflichtverstöße des Polizeifahrzeugs überwogen.

Bedeutung des Urteils für das Verkehrsrecht

Dieses Urteil setzt klare Maßstäbe für die Nutzung von Sonderrechten:

  • Blaulicht und Martinshorn müssen rechtzeitig und dauerhaft aktiviert sein.
  • Fahrer:innen von Einsatzfahrzeugen tragen eine besondere Verantwortung, auch bei der Nutzung von Sonderrechten. Sie müssen sicherstellen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Signale wahrnehmen können.
  • Pflichtverstöße können dazu führen, dass die volle Haftung auf das Einsatzfahrzeug übergeht.

Fazit:
Dieses Urteil des Landgerichts Köln unterstreicht die Bedeutung von Sorgfaltspflichten bei Einsatzfahrten. Verkehrsteilnehmer, die durch Pflichtverstöße geschädigt werden, können ihre Ansprüche mit einer fundierten Rechtsvertretung durchsetzen. Wenn Sie ähnliche Fälle haben oder Fragen zu Verkehrsrecht, Schadensersatz oder Haftungsquoten, stehen wir Ihnen als kompetente Kanzlei gerne zur Seite. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Beratung!

Parkplatzunfall – Haftung

Parkplatzunfall

Parkplatztipps: Vorfahrtsregeln und Haftungsfragen bei einem Parkplatzunfall

Ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt am Main

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 22.06.2022 (Az. 17 U 21/22) bringt Klarheit in die Frage, ob auf Parkplätzen die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt. Es bietet wichtige Einblicke, wie Fahrgassen auf Parkplätzen rechtlich zu bewerten sind und welche Haftungsfragen bei einem Parkplatzunfall relevant werden. Dieser Beitrag fasst die wesentlichen Punkte des Urteils zusammen und gibt praktische Tipps für Verkehrsteilnehmer.

Fahrgassen auf Parkplätzen: Straßencharakter oder nicht?

Das OLG Frankfurt entschied, dass Fahrgassen auf Parkplätzen grundsätzlich keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen sind und somit die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ dort nicht automatisch gilt. Stattdessen findet das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 StVO Anwendung.

Nur wenn Fahrspuren baulich eindeutig als Straßen erkennbar sind, dürfen sie als „straßenähnliche“ Fahrbahnen eingestuft werden. Indikatoren dafür können eine ausreichende Breite, Gehwege, Randstreifen oder andere straßentypische Merkmale sein. Fehlen solche baulichen Kennzeichen, gilt die gegenseitige Rücksichtnahme.

Der Fall im Detail: Parkplatzunfall im Einmündungsbereich zweier Fahrgassen

Der Parkplatzunfall ereignete sich auf dem Parkplatz eines Baumarktes, wo zwei Fahrgassen kreuzten. Das klägerische Fahrzeug befuhr die Zufahrtsgasse, als das Beklagtenfahrzeug von rechts einmündete. Das Landgericht hatte zunächst eine Haftungsverteilung von 75 % zu 25 % zu Lasten des Klägers angenommen. Das OLG Frankfurt korrigierte diese Entscheidung und sprach von einer gleichwertigen Verursachung.

Haftungsverteilung beim Parkplatzunfall

Das Urteil stellt klar, dass eine Alleinhaftung auf Parkplätzen selten ist. Bei der Haftungsabwägung gemäß § 17 StVG wird die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge gleichwertig bewertet, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Hierbei wird berücksichtigt, dass Parkplatzverkehr oft unübersichtlich ist und besondere Rücksichtnahme verlangt.

Fazit und Empfehlungen

Das OLG-Urteil zeigt, wie wichtig defensive Fahrweise und Kommunikation im Parkplatzverkehr sind. Um Unfälle zu vermeiden, sollten Sie:

  1. Defensiv fahren: Reduzieren Sie die Geschwindigkeit und halten Sie ständig Ausschau nach anderen Fahrzeugen.
  2. Kommunizieren: Nutzen Sie Blickkontakt oder Handzeichen, um die Vorfahrt zu klären.
  3. Parkplatzstruktur beachten: Unterscheiden Sie zwischen straßenähnlichen und rein dem Parkverkehr dienenden Gassen.

Ihre Experten für Verkehrsrecht

Sollten Sie in einen Parkplatzunfall verwickelt sein, stehen wir Ihnen als erfahrene Kanzlei zur Seite. Unsere Expertise im Verkehrsrecht garantiert Ihnen eine professionelle Beratung und Vertretung – von der Schadensregulierung bis zur gerichtlichen Auseinandersetzung. Kontaktieren Sie uns für eine erste Einschätzung Ihres Falls!

Haftungsquote bei Unfall: Rechtsabbieger und verbotswidrig querender Radfahrer

Rechtsabbieger

Haftungsquote bei Kollision zwischen Pkw als Rechtsabbieger und querendem, verbotswidrig auf Gehweg fahrendem Radfahrer

In einem bemerkenswerten Urteil hat das Oberlandesgericht die Haftungsverteilung bei einem Unfall zwischen einem Rechtsabbieger und einem querenden Fahrradfahrer, der verbotswidrig einen Gehweg befahren hatte, festgelegt. Das Urteil verdeutlicht die maßgeblichen rechtlichen Grundsätze und die Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile in solchen Situationen.

Ausgangslage

Ein 18-jähriger Fahrradfahrer nutzte mit seinem Fahrrad einen Gehweg, der ausschließlich für Fußgänger vorgesehen war (Zeichen 239 StVO). Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 27,5 km/h überquerte er die Straße über einen abgesenkten Bordstein, ohne seiner Wartepflicht nachzukommen. Gleichzeitig bog ein Pkw-Fahrer nach rechts in dieselbe Straße ab und kollidierte mit dem Fahrradfahrer. Der Fahrradfahrer erlitt schwerste Verletzungen.

Gerichtliche Entscheidung zur Haftungsverteilung

Das Gericht stellte fest, dass der Fahrradfahrer ein erhebliches unfallursächliches Verschulden von 75 % trägt. Dennoch wurde dem rechtsabbiegenden Pkw-Fahrer eine Teilschuld von 25 % zugewiesen, da er gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hatte.

Verschulden des Fahrradfahrers

  • Verbotswidriges Befahren des Gehwegs: Der Gehweg war durch das Verkehrszeichen 239 ausschließlich für Fußgänger vorgesehen. Der Fahrradfahrer hätte die Fahrbahn nutzen müssen und handelte damit grob fahrlässig (Verstoß gegen § 2 Abs. 1, Abs. 5 StVO).
  • Missachtung der Wartepflicht: Der Fahrradfahrer fuhr ohne anzuhalten über den abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn und verletzte damit seine Wartepflicht nach § 10 StVO.

Verschulden des Pkw-Fahrers als Rechtsabbieger

  • Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO): Obwohl der Fahrradfahrer verbotswidrig handelte, hätte der Pkw-Fahrer als Rechtsabbieger bei größerer Sorgfalt den Fahrradfahrer rechtzeitig erkennen und den Unfall vermeiden können. Das Gericht begründete dies mit der technischen Machbarkeit eines rechtzeitigen Schulterblicks, der es dem Pkw-Fahrer ermöglicht hätte, den Gehweg und den querenden Verkehr einzusehen.

Kein Verstoß gegen besondere Abbiege- und Vorfahrtsregeln

  • Der Fahrradfahrer konnte sich aufgrund seines verbotswidrigen Verhaltens nicht auf die besonderen Schutzregelungen der § 8 Abs. 1 oder § 9 Abs. 3 StVO berufen. Diese Vorschriften schützen nur berechtigte Verkehrsteilnehmer.
  • Auch die doppelte Rückschaupflicht (§ 9 Abs. 1 S. 4 StVO) wurde vom Pkw-Fahrer als Rechtsabbieger eingehalten.

Fazit und Relevanz

Das Urteil zeigt, dass auch bei grob fahrlässigem Verhalten eines Geschädigten eine anteilige Haftung des Pkw-Fahrers bestehen kann. Rechtsabbieger müssen stets damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer verkehrswidrig handeln könnten, insbesondere in der Nähe von Schulen, Wohngebieten oder anderen sensiblen Bereichen.

Für Radfahrer verdeutlicht das Urteil die schwerwiegenden Konsequenzen von Regelverstoßen: Neben einer erheblichen Mithaftung kann es auch zu einer Reduzierung von Schmerzensgeldansprüchen kommen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Klärung von Haftungsfragen und der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie rechtlichen Beistand benötigen.

Bei Prof. Dr. Streich & Partner stehen wir Ihnen als Experten im Verkehrsrecht in Berlin und Brandenburg zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns, um Ihre Rechte durchzusetzen und eine fundierte Beratung zu erhalten.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Verkehrsrechtsexperte in Berlin MitteThomas Brunow Rechtsanwalt für Verkehrsrecht Schadenregulierung

Rechtsanwalt Thomas Brunow von der Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner ist ein erfahrener Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin und Brandenburg. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er seine Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten. Als Vertrauensanwalt des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandes genießt er großes Vertrauen in der Automobilbranche. Zudem ist er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.

Schwerpunkte von Rechtsanwalt Thomas Brunow:
– Schadenregulierung nach Verkehrsunfällen: Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
– Verteidigung in Verkehrsstrafsachen: Spezialisierung auf Fälle wie Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht, Nötigung und Körperverletzung im Straßenverkehr.
– Verteidigung in Bußgeldverfahren Expertise bei Geschwindigkeitsverstößen, Rotlichtvergehen und Fahrtenbuchauflagen.

Rechtsanwalt Thomas Brunow steht seinen Mandanten mit umfassender Fachkenntnis zur Seite und sorgt für eine effektive Vertretung im Verkehrsrecht.

Glättewarnung – Unfall bei Schnee und Glätte – Haftung

Glättewarnung

Glättewarnung und Wintereinbruch – Unfall ohne Winterreifen: Was Sie wissen sollten
Ihre Rechte und Pflichten bei Glätte, Schnee und falscher Bereifung

Der Winter kann Autofahrer plötzlich und unerwartet treffen. Während mancherorts die Sonne scheint, sorgen Glatteis, Schnee und Matsch anderswo für gefährliche Straßenverhältnisse. Wer in solchen Situationen mit Sommerreifen unterwegs ist, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch den Verlust seines Versicherungsschutzes. Was Autofahrer in puncto Winterreifenpflicht, Glättewarnung, Haftung bei Unfällen und Versicherungsschutz beachten müssen, erfahren Sie hier.


Winterreifenpflicht in Deutschland: Situativ statt starr

In Deutschland gilt keine starre Winterreifenpflicht. Die Straßenverkehrsordnung (§ 2 Abs. 3a StVO) schreibt eine situative Regelung vor: Fahrzeuge dürfen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur mit wintertauglichen Reifen gefahren werden.

Als wintertauglich gelten:

  • Winterreifen mit dem Alpine-Symbol (Schneeflocke im Bergpiktogramm).
  • Ganzjahresreifen, sofern sie das Alpine-Symbol tragen.
  • Ältere M+S-Reifen (Matsch und Schnee), die vor dem 1. Januar 2018 produziert wurden. Diese sind noch bis 30. September 2024 zugelassen.

Glättewarnung beachten: Was ist der Witterung angemessen?

Die situative Winterreifenpflicht bedeutet, dass die Bereifung „der Witterung angemessen“ sein muss. Eine Glättewarnung sollte Autofahrer daher immer ernst nehmen, da sie ein klarer Hinweis auf winterliche Straßenverhältnisse ist. Solche Warnungen machen deutlich, dass Fahrzeuge nur mit Reifen unterwegs sein sollten, die:

  • Bessere Fahreigenschaften bei Schnee und Eis bieten.
  • Eine Profiltiefe von mindestens 1,6 mm haben (empfohlen: 4 mm).

Auch wenn die Straße bei Glättewarnung trocken erscheint, sind Sommerreifen häufig ungeeignet. Die Verwendung falscher Reifen erhöht nicht nur das Unfallrisiko, sondern kann auch Versicherungsprobleme mit sich bringen.


Ganzjahresreifen: Eine Alternative?

Ganzjahresreifen sind ein Kompromiss zwischen Sommer- und Winterreifen und bieten Vorteile für Gelegenheitsfahrer oder Städter. Sie eignen sich besonders für Regionen mit milden Wintern. Allerdings:

  • Neu produzierte Ganzjahresreifen müssen das Alpine-Symbol tragen.
  • Ältere M+S-Reifen dürfen nur noch bis Ende September 2024 verwendet werden.

Fehlen die vorgeschriebenen Kennzeichnungen, riskieren Sie Bußgelder und möglicherweise den Verlust Ihres Versicherungsschutzes. Eine Glättewarnung kann zudem zum Maßstab dafür werden, ob der Einsatz von Ganzjahresreifen noch angemessen ist.


Bußgelder bei falscher Bereifung

Wer bei winterlichen Straßenverhältnissen ohne geeignete Reifen unterwegs ist, muss mit empfindlichen Strafen rechnen:

  • 60 € Bußgeld und 1 Punkt in Flensburg für falsche Bereifung.
  • 80 € bei Verkehrsbehinderung.
  • 100 € bei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.
  • 120 € bei einem Unfall.

Achtung: Fahrzeughalter können ebenfalls belangt werden, wenn sie die Inbetriebnahme eines Kfz mit unzulässiger Bereifung zulassen – mit 75 € Bußgeld und 1 Punkt.


Grobe Fahrlässigkeit: Wann zahlt die Versicherung nicht?

Wenn ein Unfall bei Schnee oder Glätte passiert, prüft die Versicherung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Laut Bundesgerichtshof handelt grob fahrlässig, wer „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt“. Das ist beispielsweise der Fall, wenn:

  • Ein Fahrer bei klar erkennbaren winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen unterwegs ist.
  • Eine Glättewarnung ignoriert wurde, die auf Gefahrenstellen hinweist.

Die Versicherung darf ihre Leistung jedoch nur kürzen, wenn:

  1. Durchgehend winterliche Straßenverhältnisse herrschten.
  2. Der Unfall mit geeigneten Winterreifen hätte vermieden werden können.

Fallbeispiel: Unfall bei Glätte mit Sommerreifen – Ein Urteil mit Einschränkungen

Ein Autofahrer rutschte im Oktober auf der Mannheimer Jungbuschbrücke auf Glatteis in den Gegenverkehr. Obwohl er mit Sommerreifen unterwegs war, entschied das Amtsgericht Mannheim, dass die Regressforderung der Versicherung nicht berechtigt war (Az.: 3 C 308/14).

Die Begründung des Gerichts:

  • Es herrschten keine durchgehend winterlichen Verhältnisse, da umliegende Straßen eisfrei waren.
  • Die Versicherung konnte nicht nachweisen, dass der Unfall mit Winterreifen hätte vermieden werden können.
  • Auch die Wetterlage spielte eine entscheidende Rolle: Die Glätte trat plötzlich und lokal auf, und es lag keine aktive Glättewarnung für das Gebiet vor.

Kein Freibrief für Sommerreifen im Winter

Trotz dieses Urteils ist das Fahren mit Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen keinesfalls risikolos. Zwar gibt es in Deutschland keine generelle Winterreifenpflicht für einen festen Zeitraum, doch die Straßenverkehrsordnung verlangt, dass Fahrzeuge bei Glatteis, Schnee und ähnlichen Verhältnissen nur mit „geeigneter Bereifung“ unterwegs sein dürfen (§ 2 Abs. 3a StVO).

Wer diese Vorschrift missachtet, riskiert nicht nur ein Bußgeld und einen Punkt in Flensburg, sondern läuft Gefahr, bei einem Unfall von der Versicherung in Regress genommen zu werden.

So bewertete das Oberlandesgericht Frankfurt (Az.: 3 U 182/02) das Fahren mit Sommerreifen im Winter als grob fahrlässig. Der betroffene Versicherte musste den Schaden an seinem Fahrzeug vollständig selbst tragen, da die Versicherung berechtigt war, ihre Leistungen zu verweigern.

Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor?

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt wird – etwa durch offensichtliche Gefahren wie das Fahren mit Sommerreifen auf verschneiten oder vereisten Straßen. In solchen Fällen kann die Versicherung ihre Leistungen anteilig oder sogar vollständig kürzen. Insbesondere dann, wenn eine allgemeine Glättewarnung erfolgt.

Weitere Beispiele für grobe Fahrlässigkeit:

  • Überfahren eines Stoppschilds.
  • Nicht an die Witterung angepasste Geschwindigkeit.
  • Ablenkung durch das Bedienen von Radio oder Navigationsgerät.

Wie Sie Ärger mit der Versicherung vermeiden

  • Reifen rechtzeitig wechseln: Spätestens im Oktober sollte auf Winterreifen gewechselt werden.
  • Reifen prüfen: Achten Sie auf eine Profiltiefe von mindestens 4 mm und das Alpine-Symbol.
  • Versicherungsvertrag anpassen: Viele Kfz-Tarife bieten mittlerweile den Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit an – ein zusätzlicher Schutz, falls doch einmal ein Fehler passiert.

Auf der sicheren Seite sind Autofahrer, die sich frühzeitig an eine Glättewarnung halten und ihre Reifen entsprechend anpassen. So lassen sich nicht nur Bußgelder vermeiden, sondern auch Streitigkeiten mit der Versicherung im Falle eines Unfalls.

Unser Tipp: Kontaktieren Sie uns, wenn Sie rechtliche Unterstützung bei Streitigkeiten mit Ihrer Versicherung benötigen. Wir setzen uns für Ihre Rechte ein und klären, ob eine Leistungskürzung berechtigt ist.


Winterreifenpflicht in Europa: Uneinheitliche Regelungen

In Europa gibt es keine einheitliche Regelung zur Winterreifenpflicht. In manchen Ländern gelten starre Zeiträume, in anderen nur situative Vorschriften:

  • Österreich: Winterreifenpflicht vom 01.11. bis 15.04.
  • Tschechien: Vom 01.11. bis 31.03.
  • Schweden: Vom 01.12. bis 31.03., zusätzlich Frostschutzmittel und Schneeschaufel im Auto verpflichtend.
  • Belgien, Frankreich, Spanien: Keine generelle Winterreifenpflicht, nur situativ vorgeschrieben.

Die Bußgelder variieren ebenfalls stark: Während in Österreich Strafen von bis zu 5.000 € drohen, belaufen sich diese in Deutschland auf maximal 120 €.


Fazit: Sicher unterwegs trotz Glättewarnung

  • Wechseln Sie rechtzeitig auf Winterreifen oder Ganzjahresreifen mit Alpine-Symbol.
  • Achten Sie auf lokale Gefahrenstellen wie Brücken oder Waldstraßen.
  • Ignorieren Sie niemals eine Glättewarnung – sie schützt Sie und andere Verkehrsteilnehmer.
  • Prüfen Sie Ihren Versicherungsvertrag auf Klauseln zur groben Fahrlässigkeit.

Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Ärger mit der Versicherung haben oder Fragen zur Winterreifenpflicht und Haftung bei Unfällen nach Schnee oder Glättewarnung haben. Unsere Experten für Verkehrsrecht stehen Ihnen kompetent zur Seite!

Bei Prof. Dr. Streich & Partner stehen wir Ihnen als Experten im Verkehrsrecht in Berlin und Brandenburg zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns, um Ihre Rechte durchzusetzen und eine fundierte Beratung zu erhalten.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Verkehrsrechtsexperte in Berlin MitteThomas Brunow Rechtsanwalt für Verkehrsrecht Schadenregulierung

Rechtsanwalt Thomas Brunow von der Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner ist ein erfahrener Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin und Brandenburg. Als Spezialist auf diesem Gebiet vertritt er seine Mandanten ausschließlich in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten. Als Vertrauensanwalt des Volkswagen- und Audi-Händlerverbandes genießt er großes Vertrauen in der Automobilbranche. Zudem ist er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht.

Schwerpunkte von Rechtsanwalt Thomas Brunow:
– Schadenregulierung nach Verkehrsunfällen: Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
– Verteidigung in Verkehrsstrafsachen: Spezialisierung auf Fälle wie Trunkenheitsfahrten, Fahrerflucht, Nötigung und Körperverletzung im Straßenverkehr.
– Verteidigung in Bußgeldverfahren Expertise bei Geschwindigkeitsverstößen, Rotlichtvergehen und Fahrtenbuchauflagen.

Rechtsanwalt Thomas Brunow steht seinen Mandanten mit umfassender Fachkenntnis zur Seite und sorgt für eine effektive Vertretung im Verkehrsrecht.

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