Fahrerflucht – Entziehung der Fahrerlaubnis

Fahrerflucht

Fahrerflucht und Entziehung der Fahrerlaubnis

Wer einen Unfall verursacht und sich vom Ort des Geschehens entfernt, ohne sich um die Folgen zu kümmern, macht sich nach § 142 StGB wegen Fahrerflucht strafbar. Außerdem kann er oder sie nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die Fahrerlaubnis verlieren, wenn der Unfall einen „bedeutenden Schaden“ nach sich zieht. Was als „bedeutend“ gilt, ist jedoch nicht eindeutig festgelegt, sondern muss von Fall zu Fall von den Gerichten beurteilt werden. So auch in diesem Fall.

Um die Höhe des Schadens zu ermitteln, werden meist ein Gutachten oder ein Kostenvoranschlag herangezogen. Wer bei einer Fahrerflucht einen „bedeutenden Sachschaden“ anrichtet, muss nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB damit rechnen, dass ihm oder ihr die Fahrerlaubnis entzogen wird. Dieser Begriff wird jedoch von den Gerichten nicht einheitlich interpretiert und hat sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert. So hat zum Beispiel das Landgericht Berlin im Jahr 2019 entschieden, dass ein Schaden erst ab 1300 Euro als „bedeutend“ anzusehen ist (Az. 534 Qs 23/19).

Das Landgericht Hamburg hat nun anders geurteilt und festgelegt, dass ein Schaden von mindestens 1800 Euro für die Reparatur des Fahrzeugs erforderlich ist, damit er als „bedeutend“ im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB gilt:

Im Oktober 2022 verursachte eine PKW-Fahrerin auf einem Parkplatz die Beschädigung eines anderen Fahrzeugs. Sie verließ den Unfallort, obwohl sie den Unfall bemerkt hatte. Die Reparaturkosten des beschädigten Fahrzeugs wurden laut einem Gutachten daraufhin auf etwa 1600 Euro geschätzt. Fraglich war zunächst damit, ob der Frau gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte. Das Amtsgericht Hamburg bejahte dies, indem es der Fahrerin gemäß § 111 a Abs. 1 StPO vorläufig die Fahrerlaubnis entzog. Die Fahrerin legte sodann dagegen Beschwerde ein.

Das Landgericht Hamburg entschied jedoch, dass eine Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht in Betracht komme. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis war damit nicht rechtens. Zwar verließ die Beschuldigte unerlaubt den Unfallort, jedoch läge kein bedeutender Sachschaden vor. Laut Gericht ist bei der Beurteilung des Schadens als „bedeutend“ die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommens­entwicklung zu beachten.

Bislang wurde ein bedeutender Sachschaden bei Fahrerflucht angenommen, wenn eine Wertgrenze von 1.500 Euro erreicht wurde (teilweise sogar noch 1.300 Euro). Die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung rechtfertigen jedoch die Anhebung der Wertgrenze auf 1.800 Euro, so das Landgericht Hamburg. Da die Reparaturkosten auf etwa 1.600 Euro geschätzt wurden, wurde die Wertgrenze nicht überschritten, sodass die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht in Betracht kommt ( LG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2023, Az. 612 Qs 75/23).

Fahrerflucht 24 Stunden – Regel

Fahrerflucht: Kann der Unfall auch noch nach Verlassen des Unfallorts gemeldet werden, um eine Unfallflucht zu vermeiden?

Fahrerflucht: Sofern der andere Unfallbeteiligte nicht an der Unfallstelle anwesend ist, stellt sich oft die Frage, wie lange man eigentlich am Unfallort warten muss, um eine Fahrerflucht zu vermeiden. Eine angemessene Wartezeit hängt wie so oft von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Schwere des Unfalls und natürlich von der Lage des Unfallortes.Fahrerflucht

Die Wartezeit auf einer einsamen Landstraße zur Nachtzeit wird kürzer zu bemessen sein, als bei Unfällen im innerstädtischen Bereich.

Aus unserer Fallbearbeitung im Bereich Fahrerflucht:

Sachverhalt:

Der Mandant wohnt in einem kleinen Dorf. Sein Fahrzeug parkte auf seinem Hof. Morgens um 5 Uhr wollte unser Mandant den Weg zu seiner Arbeit antreten. Beim Rückwärtsfahren stieß er mit einem auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkenden Fahrzeug zusammen. Er hielt sofort an, schaute sich sein Fahrzeug und das andere Fahrzeug an. Einen – aus seiner Sicht – kleinen Schaden stellte er bei dem anderen Fahrzeug fest. Den Eigentümer des Fahrzeugs kannte er, da es sich um die gegenüber wohnenden Nachbarn handelte. Er klingelte mehrfach an der Haustür, wobei niemand die Tür öffnete.

Sodann fuhr er zur Arbeit und verrichtete eine Doppelschicht, die bis ca. 19:30 Uhr ging. Um ca. 21:00 Ur begab er sich zur Polizei und meldete selbstständig den Unfall. Zwischenzeitlich wurde der Unfall allerdings schon von den Nachbarn gemeldet. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gemäß § 142 I StGB (Unfallflucht) zunächst gegen unbekannt ein. Mit der Aussage meines Mandanten wurde das Verfahren nunmehr gegen ihn persönlich weitergeführt.

Der Unfallgegner ließ sein Fahrzeug gutachterlich bewerten. Der Gutachter ermittelte Reparaturkosten in Höhe von über 3.000 €. Diese Information wurde vom Geschädigten über die Polizei an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach der Fahrerflucht gem. § 111 a StPO

Aufgrund des erheblichen Schadens beantragte die Staatsanwaltschaft aufgrund der Fahrerflucht die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111 a StPO. Das Amtsgericht zögerte nicht lange und erließ den Beschluss. Der Mandant durfte damit bis zur Hauptverhandlung kein Kraftfahrzeug mehr führen.

Einstellung des Verfahrens

In der kurz darauf durchgeführten Hauptverhandlung konnte das Verfahren gegen unseren Mandanten allerdings gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer geringen Geldauflage eingestellt werden. Der § 111 a StPO Beschluss wurde aufgehoben. Der Führerschein wurde noch in der Hauptverhandlung an unseren Mandanten zurückgegeben.

24 Stunden Regel nach der Fahrerflucht

Unser Mandant ging davon aus, dass er 24 Stunden Zeit hat, einen Schaden zu melden, um straffrei zu bleiben. Hier irrte unser Mandant.

Gemeint war § 142 Abs. 4 StGB: „Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).“

Zwar fand der Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs statt; allerdings lag mit Reparaturkosten von über 3.000 € ein bedeutender Schaden vor. Dieser schließt die Anwendung des § 142 IV StGB aus.

Muss die Anwendbarkeit der Vorschrift über die tätige Reue wegen der Schadenshöhe abgelehnt werden, kann das Verhalten des Täters nach der Fahrerflucht dennoch die gesetzliche Vermutung der Ungeeignetheit gemäß § 69 StGB zum Führen eines Fahrzeugs widerlegen.

So lag der Fall auch hier: Da der unser Mandant sich bereits unmittelbar nach seiner Arbeit stellte (und damit auch sein Hauptbelastungszeuge war)und sich weder im Bundeszentralregister noch im Verkehrszentralregister einschlägige Einträge befanden, ging das Gericht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung lediglich von einem einmaligen Versagen aus. Dies führte dazu, dass das Verfahren gegen Zahlung einer kleinen Geldanlage eingestellt werden konnte. Der Mandant erhielt in der Verhandlung seinen Führerschein zurück und konnte sofort wieder Kraftfahrzeuge fahren.

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Fahren ohne Fahrerlaubnis

geblitzt

Fahren ohne Fahrerlaubnis

Wer es fahrlässig anordnet oder zulässt, dass ein anderer ein Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis führt, macht sich strafbar. |

Das musste sich der Betriebsleiter einer Bäckerei vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Der Mann führte und leitete eine Bäckerei, zu der auch ein Auslieferungs-Lkw gehörte. Für diesen Lkw stellte der Mann einen Fahrer ein und überließ ihm das Fahrzeug. Er hatte jedoch nicht überprüft, ob der Fahrer auch eine ausreichende Fahrerlaubnis besitzt.

Bei einer Verkehrskontrolle stellte sich heraus, dass der Fahrer keine Erlaubnis hatte. Er besaß lediglich eine katarische Erlaubnis. Diese galt nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, weil der Fahrer am Tag der Kontrolle bereits seit mehr als sechs Monaten seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Der Halter muss prüfen, ob Fahrzeugführer eine Fahrerlaubnis hat

Vor Gericht gab der verurteilte Betriebsleiter an, er hätte nicht wissen können, dass die katarische Fahrerlaubnis in Deutschland nicht gilt. Die zuständige FahrerlaubnisRichterin hat ihn dennoch verurteilt. Der Mann habe sich zwar den Führerschein vorzeigen lassen. Er habe jedoch keine näheren Informationen eingeholt, ob dieser Führerschein mit der hiesigen Fahrerlaubnisvoraussetzung des C 1 übereinstimmt und ob die ausländische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt gültig ist. Bei Anwendung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt hätte er erkennen müssen und können, ggf. durch Nachfrage bei den Verwaltungsbehörden, ob der Fahrer am konkreten Tattag mit dem Firmen-Lkw zum Transport auf öffentlichen Straßen zugelassen werden darf.

Es gelte also: Der Fahrzeughalter, der einen Dritten mit seinem Kraftfahrzeug fahren lässt, muss vorher prüfen, ob dieser die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Hierbei sind an seine Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen. Speziell bei ausländischen Fahrerlaubnissen muss sich der Halter vergewissern, ob der Führerschein in Deutschland gültig ist. Der Angeklagte hätte hierbei gegebenenfalls beim Landratsamt oder einem Automobilverband Rückfragen müssen, ob (der Fahrer) im Besitz einer gültigen deutschen Fahrerlaubnis ist.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 21.10.2016, 912 Cs 413 Js 141564/16, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Verkehrsrecht Berlin Brandenburg

Rechtsanwälte für Verkehrsrecht Prof. Dr. Streich & Partner

Keine Entziehung der Fahrerlaubnis nach Verkehrstherapie

Fahrerlaubnis

Rücknahme der Fahrerlaubnisentziehung nach Verkehrstherapie

Begeht jemand eine Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz, so steht auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB im Raum. Diese fußt auf der Annahme, dass sich aus der Straftat die Ungeeignetheit zum Führen eines Kfz ergibt. Insbesondere beim Fahren unter erheblichem Alkoholeinfluss ist dies sogar die gesetzliche Regel. Doch keine Regel ohne Ausnahme. So hat das AG Tiergarten jüngst auf den Einspruch eines Beschuldigten, die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben. Der Beschuldigte war ein 60jähriger Mann, der seit über 40 Jahren im Besitz eines Führerscheins war und in dieser Zeit bisher auch noch nie verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Aufgrund einer alkoholbedingten Straßenverkehrsgefährdung erging gegen ihn ein Strafbefehl, der auch die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnete. Gegen diesen legte er auf die Rechtsfolgen beschränkt Einspruch ein. Die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung (9 Monate seit Entziehung der Fahrerlaubnis) nutzte der Beschuldigte zu einer mehrmonatigen Verkehrstherapie mit zwölf einstündigen Einzelgesprächen und sechs 90minütigen Alkoholseminaren bei einem Verkehrspsychologen und Suchtberater. Dieser konnte das Gericht in der Verhandlung davon überzeugen, dass die Therapie ernsthaft und erfolgreich durchgeführt wurde. Insbesondere war das Gericht davon überzeugt, dass der Beschuldigte seit über einem halben Jahr abstinent war und eine Alkoholsucht zum Zeitpunkt der Verhandlung nicht bestand. Infolgedessen konnte das Gericht eine charakterliche Ungeeignetheit des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr feststellen und hatte die Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben. Zwar verhängte das Gericht noch ein 3 monatiges Fahrverbot, doch war dieses durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis inzwischen vollstreckt, so dass der Beschuldigte seinen Führerschein in der Verhandlung wiederbekommen konnte.

Diese Entscheidung ist richtig, denn bei der Einschätzung des Richters über die Eignung des Beschuldigten zum Führen eines Kraftfahrzeugs kommt es auf den Zeitpunkt der letzten  mündlichen Verhandlung an, so dass sämtliche Änderungen seit der Tat und insbesondere das Nachtatverhalten zu berücksichtigen sind. Dies ist jedoch kein Freischein um jeder Entziehung der Fahrerlaubnis zu entgehen. Es bedarf schon der Überzeugung des Richters. Bloße Absichtserklärungen und Ansätze, wie die Anmeldung bei einem Seminar, einer Therapie o.ä. genügen hierfür nicht. Ein entsprechender Lebenswandel muss bereits soweit vollzogen sein, dass von der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wieder auszugehen ist.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Thomas Brunow – Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte – Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner

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Keine Fahrerlaubnisentziehung nach kurzer Alkoholfahrt

Fahrerlaubnis

Alkoholfahrt ist nicht gleich Alkoholfahrt. Unter Umständen kann auch bei absoluter Fahruntüchtigkeit trotz Alkoholfahrt von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden.

So entschied das Amtsgericht Westerstede mit seinem Urteil vom 10. April 2012. Hier hat der Kraftfahrer bei absoluter Fahruntüchtigkeit sein Kraftfahrzeug von einem Behindertenparkplatz umgeparkt. Die Fahrtstrecke betrug hier 25 m. Das Gericht hat hier lediglich ein dreimonatige Fahrverbot verhängt.

Aus den Gründen:

…Zu Gunsten des Angeklagten war seine geständige Einlassung zu berücksichtigen und dass er bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis ist abgesehen worden, weil eine charakterliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung jedenfalls nicht mehr festzustellen war. Das Gericht hat es als ausreichend angesehen, gegen den Angeklagten gem. § 44 I StGB das Verbot auszusprechen, für die Dauer von noch drei Monaten keine Fahrzeuge im Strassenverkehr zu führen…

Die Entscheidung ist kein Freibrief für Alkoholfahrten macht jedoch deutlich, dass unter Umständen von einer Fahrerlaubnisentziehung durchaus abgesehen werden kann. Unsere Rechtsanwälte für Verkehrsrecht beantworten Ihnen gerne Fragen und stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung.

 

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Darf die Polizei auf eigene Faust eine Blutentnahme durchführen?

Alkohol hat im Straßenverkehr nichts zu suchen. Wird ein Betroffener bei einer Alkoholfahrt erwischt, droht ihm je nach Grad der Alkoholisierung u.a. eine Geldstrafe und unter Umständen die Entziehung der Fahrerlaubnis. Allerdings schreibt die Rechtsprechung genau vor, wie die Ermittlung der Alkoholisierung zu erfolgen hat.

Oft stellt sich die Frage, ob die Polizei  auf eigene Faust einen Bluttest durchführen darf. Nein, für die Blutentnahme ist unbedingt ein dementsprechender richterlicher Beschluss notwendig! D.h., dass bei einer Verkehrskontrolle die Polizei überhaupt nicht dazu berechtigt ist, ohne die freiwillige Zustimmung der kontrollierten Person eine Blutentnahme anzuordnen.

In einem vergleichbaren Fall, in dem die Polizei bei einem Betrunkenen auf eigene Faust, mit den Worten ,,bei Ordnungswidrigkeiten sind wir die anordnende Behörde“, einen solchen Bluttest durchgeführt hatte, entschied das AG Kempten, dass wegen ,,grober Verkennung der Zuständigkeitsvorschriften der Beweis (das abgenommene Blut des Betrunkenen) nicht verwertet werden dürfe. Der Beamte, der mit den oben zitierten Worten in bewundernswerter Konsequenz und Gelassenheit seinen Zuständigkeitsbereich um so manche Dimension ausweitet, ist nachweislich kein Einzelfall. Schlecht für die Strafverfolgung und „glücklich“ für den Betroffenen, der wegen des übereifrigen Handelns der Beamten wohl nicht für sein Trunkenheit haften musste.

Hohe BAK gibt keinen Rückschluss auf Vorsatz für Trunkenheit im Verkehr

Probezeit

In seinem Beschluss vom 16.02.2012 (3 RVs 8/12) hatte das OLG Hamm sich mit dem Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) zu beschäftigen. Der Fahrzeugführer eines PKW wird nach § 316 bestraft, wenn er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht mehr fahrtüchtig ist. Für die Annahme der Fahruntüchtigkeit unterscheidet man zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit. Eine absolute Fahruntüchtigkeit wird ab einem BAK-WeProbezeitrt von 1,1 Promille angenommen. Für eine relative Fahruntüchtigkeit genügt schon ein BAK-Wert von 0,3 Promille, wenn zusätzlich noch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen beim Autofahren hinzukommen (z.B. Schlangenlinienfahren).

In diesem Fall wurde die Angeklagte, die bereits wegen mehrfacher Trunkenheitsfahrten vorbestraft war, von der Vorinstanz wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Bei der Angeklagten wurde nach einer Polizeikontrolle eine Blutalkoholkonzentration von 2,39 ‰ festgestellt. Darüber hinaus beleidigte die Angeklagte die Polizeibeamten und versuchte ihre Fahrereigenschaft zu bestreiten.   

Das OLG Hamm hob dennoch nach der Revision der Angeklagten das Urteil auf. Das Gericht kritisierte, dass die Feststellungen zum genauen Tatablauf nicht ausreichend getroffen wurden. So blieb die Frage offen, wann die Angeklagte genau zu trinken begonnen hatte und wie sie ihre eigene Fahrtüchtigkeit zu Zeitpunkt des Fahrtantritts einschätzte. Für die vorsätzliche Verwirklichung der Trunkenheit im Verkehr kommt es entscheidend darauf an, ob der Täter selbst Kenntnis seiner Fahrtuntüchtigkeit hatte. Die vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr könne gerade nicht aus einem hohen Blutalkoholkonzentrationswert geschlossen werden. Ebenso wenig dürfen bei dieser Erwägung etwaige Vorstrafen des Täters eine Rolle spielen. Das Gericht hat vielmehr Feststellungen zur Täterpersönlichkeit und vor allem zum Trinkverlauf zu treffen und gegebenenfalls durch Zeugenbefragung zu ermitteln, ob der Täter schon bei Fahrantritt hätte erkennen können, dass er nicht mehr fahrtüchtig ist.

Bei einem wie hier derart hohen BAK-Wert muss berücksichtigt werden, ob beim Täter nicht schon durch die fortgeschrittene Alkoholisierung die Einschätzungs- und Selbstkritikfähigkeit so weit herabgesetzt war, dass er seine Fahruntüchtigkeit gar nicht mehr erkennen konnte. Darauf deutete auch vorliegend das agressive Verhalten der Angeklagten während der Polizeikontrolle hin. In einem solchen Fall ist dann allenfalls von einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr auszugehen. Das OLG Hamm hob das Urteil daher auf.

Trunkenheitsradlern droht Idiotentest

Die Teilnahme als Radfahrer am Straßenverkehr mit 1,6 Promille oder mehr führt nach der Fahrerlaubnis-Verordnung zur Anordnung einer Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU, im Volksmund auch Idiotentest genannt) und kann als Folge dessen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich ziehen.

Im Leitsatz seines Beschlusses vom 13.03.2012 (7 B 2863/12) hat das VG Oldenburg entschieden, dass einem Fahrerlaubnisinhaber, der als Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille oder mehr am Straßenverkehr teilgenommen hat, die Fahrerlaubnis entzogen werden darf, wenn zu erwarten ist, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug in fahruntüchtigem Zustand führen wird.

Gemäß § 3 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) liegt eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.   Dabei hat der Gesetzgeber im Jahr 2010 die Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV in der Hinsicht verschärft, als dass nunmehr sämtliche Fahrzeuge umfasst sind. Das VG Oldenburg stellte in seinem Urteil fest, dass sich der Normgeber in Kenntnis des unterschiedlichen Bedeutungsgehaltes der Begriffe (Fahrzeug/Kraftfahrzeug) dazu entschlossen hat, für die Definition des Missbrauchs nur noch an das Führen von „Fahrzeugen“ und nicht – wie zuvor noch – an das Führen von „Kraftfahrzeugen“ anzuknüpfen.

Gemäß §§ 46 Absatz 3, 13 Nr. 2 c) FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen einer solchen Prüfung, für den Fall, dass ein Fahrzeug – und damit auch ein Fahrrad – im Straßenverkehr, bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr, geführt wurde, anzuordnen, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist.   Nr. 1 f) der Anlage 15 zur FeV, welche die Durchführung der MPU konkretisiert, stellt klar, dass im Fall des § 13 FeV Gegenstand der Untersuchung auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen ist. Insbesondere, ob zu erwarten ist, dass der Betroffene nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln/Arzneimitteln führen wird. Bei Alkoholmissbrauch, ohne dass Abhängigkeit vorhanden war oder ist, muss sich nach dieser Norm die Untersuchung darauf erstrecken, ob der Betroffene den Konsum von Alkohol einerseits und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr andererseits zuverlässig voneinander trennen kann.   Hier liegt ein gewisser Widerspruch zur Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV vor. Denn auf der einen Seite wird von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Auf der anderen Seite wird in der diese Entscheidung vorbereitenden MPU lediglich geprüft, ob der Betroffene den Konsum von Alkohol einerseits und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr andererseits zuverlässig voneinander trennen kann.

Da jedoch Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV die Entscheidende Norm ist, welche der Tatrichter bei seiner Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis befolgen muss, ist davon auszugehen, dass bei einer entsprechenden Verfolgung eines „Trunkenheitsradelns“ ab 1,6 Promille dem Betroffenen der Führerschein entzogen wird, sofern der Tatrichter überzeugt ist, dass der Betroffene das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann.   Dadurch, dass die MPU nach der aktuellen Gesetzeslage diese Frage, wie zuvor dargestellt, jedoch lediglich in Bezug auf Kraftfahrzeuge beantwortet, ist dem Richter die Möglichkeit, trotz einer positiv ausfallenden MPU die Fahrerlaubnis zu entziehen, vereinfacht.   Da auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. 5. 2008 (3 C 32/07) feststellte, dass nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hindeutet, ist anzunehmen, dass die Tatrichter in Zukunft auch bei Trunkenheitsfahrten mit dem Fahrrad häufig eine Entziehung der Fahrerlaubnis beschließen werden.

Autor: Rechtsreferendar Julian Proft

Vorläufige Führerscheinentziehung im Ermittlungsverfahren nach unbewusster Drogenaufnahme

Das OVG Rheinland-Pfalz hatte einem Fall zu entscheiden, in dem Polizeibeamten einem Autofahrer, der durch auffällige Fahrweise einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde, den Führerschein vorläufig entzogen, nachdem festgestellt wurde, dass sie unter Drogen stand.

Schon während des noch laufen Ermittlungsverfahrens kann der Führerschein für die Dauer des Verfahrens zu den Akten sichergestellt werden. Ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen wird (BVerfG VRS 90, 1).

Eine Ausnahmekonstellation von diesem Grundsatz kann bei unvorhersehbarer Alkoholwirkung oder bei heimlicher Drogenzuführung vorliegen (KG VRS 26, 198; OLG Oldenburg, DAR 1956, 253). Im vorliegenden Fall machte der Beschuldigte geltend, dass ihm während einer Feierlichkeit unbemerkt Amphetamine in das von ihm konsumierte Getränk gemischt wurden. Die Rechtsprechung stellt jedoch hohe Anforderungen zur substanziellen Begründung solcher Schutzbehauptungen.

Das OVG Rheinland Pfalz setzt in solchen Fällen eine nachvollziehbare und überzeugende Darlegung des Sachverhalts durch den Beschuldigten voraus, der es ernsthaft möglich erscheinen lässt, dass der Beschuldigte die Betäubungsmittel tatsächlich unwissentlich zu sich genommen hat. Um nur eine Belassung der Fahrerlaubnis überhaupt in Erwägung zu ziehen, muss sich die Sachverhaltsdarstellung, also die unbemerkte Drogenzufuhr, als nachprüfbar und widerspruchsfrei darstellen, insbesondere in Hinblick auf die von drogenabhängigen Fahrerlaubnisinhabern ausgehende Gefährdung von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer.

Die Einlassung des Beschuldigten stellte sich nach Überzeugung des Gerichts hier jedoch als widersprüchlich dar, da er beispielsweise behauptet hatte, auf der Feierlichkeit keinen Alkohol zu sich genommen zu haben, doch tatsächlich eine, wenn auch geringe Blutalkoholkonzentration von 0,22 ‰ festgestellt wurde.

In der Regel ergibt sich daher bereits aus nur einer nachgewiesenen Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes  ohne weiteres, also ohne weitere Sachverhaltsaufklärung oder medizinische Begutachtung, die Ungeeignetheit des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es besteht dann ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Verkehrssicherheit, welches das Interesse des beschuldigten Autofahrers überwiegt.

      Über den Autor: Rechtsanwalt Thomas Brunow Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in 10115 Berlin Mitte. Rechtsanwalt Brunow ist Vertrauensanwalt des Volkswagen – Audi Händlerverbandes für Verkehrsrecht e.V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht in Berlin. Rechtsanwalt Thomas Brunow hilft Geschädigten nach Verkehrsunfällen und Betroffenen nach Verkehrsverstößen (Fahrerflucht, Bußgeld, Fahrverbot u.a.) schnell und unbürokratisch.

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