Recht auf Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Atemalkoholgeräts im Rahmen eines Verfahrens wegen Trunkenheitsfahrt

Das AG Königs-Wusterhausen hat in einem Beschluss festgelegt, dass sich das Akteneinsichtsrecht eines Beschuldigten bzw. seines Rechtsanwalts auch auf die Kopie der Bedienungsanleitung des verwendeten Atemalkoholgeräts erstrecken muss.

Aus Sicht des Gerichts ergibt sich dies schon aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Unschuldsvermutung und dem Erfordernis eines ordnungsgemäßen Strafverfahrens. Daher kann die das Verfahren führende Behörde den Betroffenen auch nicht darauf verweisen, sich die Bedienungsanleitung vom Hersteller selbst auf seine Kosten zu beschaffen. Damit würde sonst eine Schuldvermutung impliziert werden. Zudem muss dem Betroffenen bzw. seinem rechtsanwalt die Möglichkeit zur Verfügung stehen, zu überprüfen, ob die die Alkoholmessung durchführenden Beamten auch entsprechend der Bedienungsanleitung gehandelt haben, da Abweichungen zur Unverwertbarkeit führen können. Darüber hinaus müssen dem Betroffenen alle Erwägungen, die die Verfolgung bzw. die spätere Sanktion begründen, zugänglich gemacht werden.

Die Behörde kommt aus Sicht des AG Königs-Wusterhausen dann ihrem Akteneinsichtsgebot nach, wenn die Bedienungsanleitung zur Gerichtsakte gelangt. Die Art und Weise der Form der Akteneinsicht wird noch nicht einheitlich beurteilt. Insbesondere soll nicht verlangt werden können, eine Kopie zuzusenden. Das AG Osnabrück hat demgegenüber in einer jüngst ergangenen Entscheidung angenommen, dass eine Kopie der Bedienungsanleitung auch per CD an den Betroffenen bzw. seinen Verteidiger übersandt werden kann.

Voraussetzungen an die vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung

 Relevant wird die Entscheidung, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt, für die Bemessung des Bußgeldes, da dieses bei Vorsatz in der Regel verdoppelt wird.

In vorliegenden Fall hatte ein LKW-Fahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 46,48 % überschritten. Die Besonderheit lag darin, dass der Betroffene eine Bundesautobahn befuhr, die zum Berliner Stadtgebiet zählt (Bundesstraße 113). Der Betroffene ließ sich dahingehend auf die Sache und brachte vor, nicht geahnt zu haben, dass er sich schon im Berliner Raum aufhalte und er zudem das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrsschild übersehen habe.

Zur Ermittlung der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung war die Höhe der Geschwindigkeit allein nicht ausschlaggebend. Vielmehr müssen noch zusätzliche Umstände hinzutreten, die auf ein vorsätzliches Handeln schließen lassen. Dafür spielen insbesondere die örtlichen Gegebenheiten eine große Rolle. Zum einen kann sich ein KfZ-Fahrer nicht entlasten, die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht gekannt zu haben, wenn er innerorts auf einer Straße mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h fährt. Die gleichen Erwägungen gelten bei Geschwindigkeitsbegrenzungen im Bereich von Baustellen, da es sich hier für den Betroffenen aus den optischen Gegebenheiten geradezu aufdrängt, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Zudem kommt in Betracht, dass dem KfZ-Fahrer nachgewiesen werden kann, dass er das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen wahrgenommen hat. Es genügt beispielsweise nicht, wenn er lediglich vorgibt, ein Verkehrszeichen aus einfacher Fahrlässigkeit heraus übersehen zu haben, da auch hier zusätzliche Umstände hinzutreten müssen, die diese Angaben glaubhaft machen.

Weiterführende Hinweise und eine Rechtsprechungsübersicht zur Abgrenzung von vorsätzlicher und fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung finden sie hier.

Wie kann die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB abgewendet werden?

Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht in § 69 StGB Regelfälle vor, in denen der Täter eines Verkehrsdelikts als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird und ihm daher die Fahrerlaubnis entzogen wird. Dies betrifft insbesondere die Fahrerflucht nach § 142, die Trunkenheit im Verkehr nach § 316 und die Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB. Verwirklicht der Täter eines dieser Delikte, kann ihm die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden.

  • Fahrerflucht

So sollte bei der Fahrerflucht darauf geachtet werden, wie hoch der Sachschaden des Unfalles liegt. Einige Gerichte (z.B. das OLG Dresden und OLG Hamm) sehen als Wertgrenze einen Schadensbetrag von 1.300 € vor. Ist dieser Betrag unterschritten, kann zumindest nicht nur aufgrund des Sachschadens die Fahrerlaubnis entzogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Täter die Feststellungen seiner Personalien innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall ermöglicht oder sogar unmittelbar nach der Fahrerflucht zur Unfallstelle zurückkehrt, da hier dann der Regelfall des § 69 Abs. 2 StGB nicht erfüllt sein soll (so LG Gera, NZV 06, 105; LG Köln, VA 2010, 65)

 

  • Trunkenheit im Verkehr

Hat sich der Täter der Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht, kann die Entziehung der Fahrerlaubnis vor allem dann verhindert werden, wenn der Täter nachweisbar und ernsthaft an einer Verkehrstherapie teilgenommen hat (LG Düsseldorf, DAR 2008, 597). In Betracht kommt dann noch gegebenenfalls ein Fahrverbot von bis zu 3 Monaten. Jede nachgewiesene Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme oder an einer Suchtberatung kann die Chance erhöhen, dass die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird.

 

  • Straßenverkehrsgefährdung

Ähnliche Aspekte gelten auch für die Gefährdung des Straßenverkehrs: Auch hier kann die Teilnahme an einem Verkehrsseminar sich positiv auswirken. Positiv berücksichtigt wird auch häufig, wenn der Täter nach der Tat -vorausgesetzt, diese liegt mehrere Monate zurück- nicht mehr verkehrsrechtlich in Erscheinung tritt. Auch arbeitsrechtliche Aspekte können relevant werden, etwa wenn dem Täter als Außendienstmitarbeiter die Kündigung droht (AG Gemünden, VA 2012, 29).

ES3.0 Freispruch nach Geschwindigkeitsüberschreitung

Das AG Landstuhl hat in seinem Urteil vom 03.05.12 die Betroffene freigesprochen, die mit dem Messgerät ES 3.0 wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit geahndet worden war. Damit wich das Gericht von seiner ursprünglichen Verurteilung der Betroffenen vom 10.02.2011 ab. Das OLG Zweibrücken hob das ursprüngliche Urteil nach Revision der Betroffenen auf und verwies die Sache zurück an das AG Landstuhl, das die Betroffene nun freisprach. „ES3.0 Freispruch nach Geschwindigkeitsüberschreitung“ weiterlesen

Hohe BAK gibt keinen Rückschluss auf Vorsatz für Trunkenheit im Verkehr

Probezeit

In seinem Beschluss vom 16.02.2012 (3 RVs 8/12) hatte das OLG Hamm sich mit dem Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) zu beschäftigen. Der Fahrzeugführer eines PKW wird nach § 316 bestraft, wenn er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht mehr fahrtüchtig ist. Für die Annahme der Fahruntüchtigkeit unterscheidet man zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit. Eine absolute Fahruntüchtigkeit wird ab einem BAK-WeProbezeitrt von 1,1 Promille angenommen. Für eine relative Fahruntüchtigkeit genügt schon ein BAK-Wert von 0,3 Promille, wenn zusätzlich noch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen beim Autofahren hinzukommen (z.B. Schlangenlinienfahren).

In diesem Fall wurde die Angeklagte, die bereits wegen mehrfacher Trunkenheitsfahrten vorbestraft war, von der Vorinstanz wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Bei der Angeklagten wurde nach einer Polizeikontrolle eine Blutalkoholkonzentration von 2,39 ‰ festgestellt. Darüber hinaus beleidigte die Angeklagte die Polizeibeamten und versuchte ihre Fahrereigenschaft zu bestreiten.   

Das OLG Hamm hob dennoch nach der Revision der Angeklagten das Urteil auf. Das Gericht kritisierte, dass die Feststellungen zum genauen Tatablauf nicht ausreichend getroffen wurden. So blieb die Frage offen, wann die Angeklagte genau zu trinken begonnen hatte und wie sie ihre eigene Fahrtüchtigkeit zu Zeitpunkt des Fahrtantritts einschätzte. Für die vorsätzliche Verwirklichung der Trunkenheit im Verkehr kommt es entscheidend darauf an, ob der Täter selbst Kenntnis seiner Fahrtuntüchtigkeit hatte. Die vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr könne gerade nicht aus einem hohen Blutalkoholkonzentrationswert geschlossen werden. Ebenso wenig dürfen bei dieser Erwägung etwaige Vorstrafen des Täters eine Rolle spielen. Das Gericht hat vielmehr Feststellungen zur Täterpersönlichkeit und vor allem zum Trinkverlauf zu treffen und gegebenenfalls durch Zeugenbefragung zu ermitteln, ob der Täter schon bei Fahrantritt hätte erkennen können, dass er nicht mehr fahrtüchtig ist.

Bei einem wie hier derart hohen BAK-Wert muss berücksichtigt werden, ob beim Täter nicht schon durch die fortgeschrittene Alkoholisierung die Einschätzungs- und Selbstkritikfähigkeit so weit herabgesetzt war, dass er seine Fahruntüchtigkeit gar nicht mehr erkennen konnte. Darauf deutete auch vorliegend das agressive Verhalten der Angeklagten während der Polizeikontrolle hin. In einem solchen Fall ist dann allenfalls von einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr auszugehen. Das OLG Hamm hob das Urteil daher auf.

Haltepflicht an Zebrastreifen

Autofahrer müssen grundsätzlich sofort anhalten, wenn sie sehen, dass Fußgänger einen Zebrastreifen betreten oder sonst durch ihr Gesamtverhalten Benutzungsabsicht anzeigen.
In seinem Beschluss vom 27.06.2011 (1 SS BS 30/11) bestätigte das OLG Jena die Verurteilung eines Autofahrers wegen Nichtermöglichens des Überquerens der Fahrbahn, obwohl ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen wollte, wobei das Gericht feststellte, dass die Tat fahrlässig begangen wurde. Der Autofahrer überquerte einen Zebrastreifen mit seinem Kraftfahrzeug, als sich eine Fußgängerin bereits deutlich auf dem Zebrastreifen befunden hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn hatten bereits zwei Autos angehalten.
Das OLG stellte fest, dass Autofahrer gemäß § 26 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) dazu verpflichtet sind, an Fußgängerüberwegen Fußgängern, die den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Sie dürfen nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren und müssen, wenn nötig, warten.
Grundsätzlich müsse der Kraftfahrer nach dem OLG sofort anhalten, wenn er sehe, dass Fußgänger den Überweg betreten oder sonst durch ihr Gesamtverhalte Benutzungsabsicht anzeigen. Etwas anderes gelte ausnahmsweise nur dann, wenn ein vorsichtiges Weiterfahren den Fußgänger bei normalem Weitergehen überhaupt nicht beeinflussen, d.h. ihn in keiner Weise beeinträchtigen kann. Ein solcher Ausnahmefall sei entweder bei einem außergewöhnlich langen oder in der Mitte geteilten Überweg oder sonst nach Verständigung zwischen Fahrzeugführer und Fußgänger denkbar.
(Autor: Referendar Julian Proft)

Gleichzeitige Vollstreckung verschiedener Fahrverbote nebeneinander

Mehrere Fahrverbote, die auf verschiedenen Bußgeldbescheiden beruhen, sind nebeneinander zu vollstrecken, wenn sie wegen der Rücknahme gegen sie erhobener Einsprüche zur gleichen Zeit Rechtskraft erlangen.

In seinem Beschluss vom 14.12.2011 (2 OWi 641/11) hat das Amtsgericht Hattingen entschieden, dass zwei dem Betroffenen auferlegte Fahrverbote, die auf verschiedenen Bußgeldbescheiden beruhten, die jedoch aufgrund einer gleichzeitigen Rücknahme der gegen sie vom Anwalt des Betroffenen erhobenen Einsprüche zur gleichen Zeit Rechtskraft erlangten, parallel zu vollstrecken seien. Der Betroffene habe die zwei Fahrverbote von jeweils einem Monat somit nicht nacheinander abzugelten. Vielmehr seien beide Fahrverbote nach dem Verstreichen eines Monats abgegolten.
Nach der Entscheidung des Amtsgerichts Hattingen seien zwar gemäß § 25 Abs. 2 a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in dem Fall, dass gegen den Betroffenen weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt werden, die Fahrverbotsfristen grundsätzlich nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen. Jedoch handele es sich bei der Vorschrift des § 25 Abs. 2 a StVG um eine vom Gesetzgeber nachträglich eingeführte Ausnahmeregelung. Das Grundmuster der Vollstreckung sei daher die sogenannte Parallelvollstreckung. Liegen also die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 25 Abs. 2 a StVG nicht vor, was nach Ansicht des Amtsgerichts Hattingen bei gleichzeitiger Rechtskraft mehrerer Bußgeldbescheide der Fall ist, so seien mehrere Fahrverbote parallel zu vollstrecken.

Fahrerflucht: Auswirkungen auf die Haftpflichtversicherung

Fahrerflucht

Die Fahrerflucht kann nicht nur strafrechtliche, sondern auch versicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wer nach einem Unfall mit Sachschaden Fahrerflucht begeht, kann zwar diesen Schaden der Gegenseite durch seine Haftpflichtversicherung zunächst regulieren lassen. Allerdings kann diese in der Regel seinen Versicherer, der sich der Fahrerflucht schuldig gemacht hat, in Regress nehmen und den Schadensbetrag zurückverlangen. Denn nach dem [quote align=“left“ color=“#000000″]Wegfall des Versicherungsschutz nach einer Fahrerflucht?[/quote] Versicherungsvertrag werden dem Versicherten bestimmte Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten auferlegt. Begeht ein Versicherter eine Fahrerflucht, so stellt dies regelmäßig eine Obliegenheitsverletzung nach dem Versicherungsfall dar, da der Versicherte dann gegen seine Aufklärungspflicht zur Schadens- und Personenfeststellung verstoßen hat.

Über einen solchen Fall hatte das LG Hamburg (331 S 71/10) zu entscheiden. Hier war die Versicherte beim Ausparken mit einem geparkten Fahrzeug kollidiert. Allerdings verständigte sie nicht die Polizei zur Unfallaufnahme, sondern hinterließ eine Visitenkarte in einer Plastikhülle mit Name, Adresse, Kennzeichen und Telefonnummer unter dem Scheibenwischer. Darüber hinaus dokumentierte sie mit ihrem Ehemann den Unfall durch Fotoaufnahmen der Position der Fahrzeuge und den festgestellten Schäden. Die Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden der Gegenseite in Höhe von 2.000 €, nahm in der Folge aber die Versicherte für die Kosten in Regress. Das LG Hamburg hatte nun die gewichtige Frage zu klären, ob die Versicherte mit ihrem Verhalten eine Fahrerflucht begangen habe, womit dann auch eine Obliegenheitsverletzung vorläge. Aus Sicht des Gerichts lag jedoch in diesem Fall keine Fahrerflucht vor. Zwar habe sich die Versicherte unerlaubt vom Unfallort entfernt, ohne die Feststellungen zu ermöglichen. Aber durch ihr Verhalten nach dem Unfall habe die Versicherte gezeigt, dass Sie ihre Aufklärungspflicht nicht verletzen wollte. Das Gericht war der Meinung, dass auch ein Polizeibeamter den Unfall nicht besser hätte dokumentieren können. Dadurch konnte ein vorsätzliches Verhalten für die Fahrerflucht nicht nachgewiesen werden.

Der Anspruch der Haftpflichtversicherung wurde daher im Ergebnis abgelehnt. Dennoch ist dieses Urteil mit Vorsicht zu genießen. Nicht jedes Gericht würde das Verhalten der Versicherten genügen lassen, um eine Fahrerflucht abzulehnen. Es ist daher zu empfehlen, den Unfall durch die Polizei aufnehmen zu lassen. Dies vermeidet auch Beweisschwierigkeiten in einem zivilrechtlichen Prozess gegen die Haftpflichtversicherung, wie dieser Fall zeigt.

Fahrtenbuchauflage nach Geschwindigkeitsüberschreitung

Wer als Fahrzeughalter nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung den Behörden nicht bei der Ermittlung des Fahrers hilft, muss mit einer Fahrtenbuchauflage rechnen.

Im Leitsatz seines Beschlusses vom 25.01.2012 (1 M 200/11) hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern entschieden, dass die Übersendung eines Anhörungsbogens zur Fahrerermittlung nach einem Verkehrsverstoß für den Fahrzeughalter die Pflicht begründet, an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Dazu gehöre es, dass er den ihm bekannten oder auf einem Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördere.

Zwar kann der Fahrzeughalter im Bußgeldverfahren von Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechten Gebrauch machen. Diese Verweigerung der Aussage kann ihm aber dann von den Behörden als fehlende Mitwirkung bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers entgegengehalten werden.

Ein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nach den Ausführungen des OVG nicht. Denn ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.

Geschwindigkeitsmessung mit Messgerät ES 1.0

In einem unserer aktuellen Fälle wurde unser Mandant auf einer Landstraße mit dem Messgerät ES 1.0 geblitzt. In einem zunächst ergangenen Anhörungsbogen wurde ihm vorgeworfen, die auf der Landstraße zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h um 29 km/h überschritten zu haben. Nach Durchsicht der Ermittlungsakte ließen wir die Geschwindigkeitsmessung durch einen Sachverständigen überprüfen. Das Messgerät ES 1.0 ähnelt in seiner Funktionsweise sehr seinem Nachfolgermodell ES 3.0, mit der Ausnahme, dass bei dem Messgerät ES 3.0 eine zusätzliche seitliche Abstandsmessung erfolgt.

Auch bei dem Messgerät ES 1.0 ergibt sich die Plausibilität der Geschwindigkeitsmessung aus der Rekonstruktion der Fotolinie. Allerdings waren bei den vorliegenden Beweisbildern gegen unseren Mandanten und anderer Messungen die für die Bestimmung der Fotolinie relevanten Vorderräder durch Gras oder ähnliches verdeckt. Dabei gibt die Gebrauchsanweisung zum Messgerät ES 1.0 vor, dass auf die zu messenden Fahrzeuge freie Sicht bestehen muss. Auffällig war zudem eine Annulierungsrate der Messungen in Höhe von über 50 %, woraus geschlossen werden konnte, dass die Messanlage nicht entsprechend den Bedienungsvorgaben aufgebaut wurde und somit ein Justierfehler vorlag. Dieser hätte durch Nachjustierung oder Wechseln der Messstelle gemäß der Gebrauchsanweisung gewechselt werden müssen. Im Zweifel sei bei einer ungewöhnlichen Häufung von Messwertannulierungen, die zweifelsohne bei einer Rate von 50 % vorliegt, auch ein Defekt des Messgerätes nicht auszuschließen.

Im vorliegenden Fall wurde die Messstelle jedoch nicht gewechselt, sondern einfach weiter gemessen. Die Fehlmessungen ließen sich anhand der Beweisbilder auch daran erkennen, dass bei einem Vergleich der Fotopositionen der gemessenen Fahrzeuge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten diese sich dennoch auf gleicher Höhe befanden, was technisch ausgeschlossen ist. Aus der Sicht des Sachverständigen wurde der Verlauf der Fotolinie nicht ausreichend dokumentiert und war auch nicht rekonstruierbar, woraus sich im Ergebnis eine mangelhafte Dokumentation der Fotolinie ergab. Dem Amtsgericht wurde das Privatgutachten übergeben. Das Amtsgericht entschied sich aufgrund dessen, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Die Ergebnisse des Privatgutachtens wurden bestätigt. Das Verfahren endete schließlich mit einem Freispruch.

[info]Über den Autor: Rechtsanwalt Thomas Brunow Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in Berlin Mitte. Rechtsanwalt Brunow ist Vertrauensanwalt des Volkswagen – Audi Händlerverbandes für Verkehrsrecht e.V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht in Berlin. Rechtsanwalt Thomas Brunow hilft Geschädigten nach Verkehrsunfällen und Betroffenen nach Verkehrsverstößen (Fahrerflucht, Bußgeld, Punkte in Flensburg etc.) schnell und unbürokratisch.[/info]

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen hierzu erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen