Regress nach Fahrerflucht: Wann die Kfz-Haftpflichtversicherung vom Versicherungsnehmer Geld zurückverlangen darf
AG Brandenburg: Urteil vom 28.04.2025 – 31 C 159/24
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Einleitung: Wenn Versicherte selbst zum Gegner werden
Nach einem Unfall erwartet man von der eigenen Versicherung in erster Linie eines: Unterstützung. Doch was passiert, wenn der Versicherungsnehmer selbst gegen vertragliche Pflichten verstößt – etwa durch Fahrerflucht? In solchen Fällen kann die Versicherung nicht nur leistungsfrei sein, sondern sogar erfolgreich Regress gegen den eigenen Versicherten nehmen. Das Amtsgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil vom 28.04.2025 (Az. 31 C 159/24) eine solche Regressforderung bestätigt – mit bemerkenswerter Klarheit.
Der Fall: Fahrerflucht trotz Zeugen und Lichtbildern
Am 04.07.2021 fuhr der Beklagte mit einem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Mercedes-Benz rückwärts gegen einen geparkten BMW. Der Unfall ereignete sich in Anwesenheit von zwei unmittelbaren Zeugen, die den Fahrer direkt ansprachen und auf den Vorfall hinwiesen. Zudem fertigte der Fahrer selbst Lichtbilder der beschädigten Fahrzeuge an – eine Unfallbeteiligung war unstreitig dokumentiert.
Doch statt sich um die Schadensregulierung zu kümmern, verließ der Fahrer unerlaubt die Unfallstelle, ohne Angaben zu seiner Person zu machen – ein klassischer Fall der sogenannten Unfallflucht (§ 142 StGB).
Später bestritt der Versicherungsnehmer gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung jegliche Beteiligung am Unfall. Die Versicherung verweigerte zunächst die Schadensregulierung, wurde jedoch von der Geschädigten erfolgreich in Anspruch genommen. Im Anschluss forderte sie 2.500 € Regress vom eigenen Versicherungsnehmer – gestützt auf die einschlägigen Obliegenheitsverletzungen in den AKB.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Brandenburg
Das Gericht gab der klagenden Versicherung recht – in allen Punkten. Besonders bedeutsam sind dabei folgende rechtliche Erwägungen:
1. Fahrerflucht als Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB)
Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort stellt nicht nur eine Straftat dar, sondern ist auch ein sogenanntes Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Das bedeutet: Wer dagegen verstößt, kann auch zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden – unabhängig von vertraglichen Ansprüchen.
Das Amtsgericht betont, dass die Vorschrift des § 142 StGB gerade den Schutz der zivilrechtlichen Interessen der Unfallbeteiligten dient – namentlich der Aufklärung des Sachverhalts und der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.
2. Strafurteil als Beweis im Zivilprozess (§§ 286, 432 ZPO)
Die Versicherung stützte ihren Regressanspruch maßgeblich auf ein bereits rechtskräftiges Strafurteil wegen Fahrerflucht (AG Potsdam, Urteil vom 19.07.2022). Der Beklagte war demnach nicht nur strafrechtlich verurteilt worden, sondern hatte durch sein Verhalten nachweislich eine schwerwiegende Obliegenheitsverletzung begangen.
Das Gericht stellt klar: Strafurteile dürfen als Urkundenbeweis im Zivilprozess verwendet werden (§§ 286, 432 ZPO). Die Beweisführung der Versicherung war damit in vollem Umfang tragfähig.
3. Obliegenheitsverletzung nach den AKB berechtigt zum Regress
Die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) sehen vor, dass bei groben Obliegenheitsverletzungen – etwa durch Unfallflucht oder falsche Angaben – ein Rückgriff der Versicherung gegen den Versicherungsnehmer bis zu 5.000 € zulässig ist. Im konkreten Fall wurde nur ein Regress von 2.500 € geltend gemacht – also innerhalb der zulässigen Regressgrenze.
Die Obliegenheitsverletzung war evident:
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Der Fahrer verließ die Unfallstelle unerlaubt.
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Er verneinte die Unfallbeteiligung gegenüber der Versicherung.
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Eine Aufklärung des Schadens wurde dadurch erheblich erschwert.
Folge: Die Versicherung durfte leistungsfrei bleiben bzw. die bereits geleistete Schadenssumme anteilig zurückfordern.
Fazit: Strafrechtliche Folgen können auch zivilrechtlich teuer werden
Die Entscheidung des Amtsgerichts Brandenburg ist rechtlich eindeutig und praktisch bedeutsam. Sie verdeutlicht:
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Fahrerflucht ist kein Kavaliersdelikt, sondern hat sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Konsequenzen.
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Versicherer sind berechtigt, nach einer Obliegenheitsverletzung Rückgriff zu nehmen, wenn sie Schäden nur wegen der gesetzlichen Haftung (§ 115 VVG) regulieren mussten.
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Ein Strafurteil kann im Zivilprozess verwertet werden, auch ohne erneute Beweisaufnahme zum Sachverhalt.
Versicherungsnehmer sollten sich daher im Fall eines Unfalls stets rechtlich beraten lassen und keinesfalls unüberlegt die Unfallstelle verlassen. Ansonsten drohen nicht nur Geldbuße und Führerscheinentzug, sondern auch erhebliche Rückforderungen durch die eigene Versicherung.
Praxis-Tipp für Versicherungsnehmer:
Wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt sind:
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Bleiben Sie am Unfallort!
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Warten Sie auf die Polizei oder versuchen Sie, den Geschädigten zu kontaktieren.
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Informieren Sie Ihre Versicherung wahrheitsgemäß und vollständig.
Schon kleine Versäumnisse oder falsche Angaben können aus Sicht des Versicherungsrechts eine grobe Obliegenheitsverletzung darstellen – mit erheblichen finanziellen Folgen.
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